7.2.2 Blattmassenverluste durch Grünastung

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Auch wenn die Grünastung heute zweifellos als praktikabel anerkannt wird, so bringt sie zwangsläufig eine Reduktion der assimilierenden Blattmasse mit sich. Wird sie über ein gewisses Ausmass durchgeführt, so kann die Grünastung zu Durchmesser- und Höhen-wachstumsverlusten führen, deren Auswirkungen, namentlich auf die Aufrechterhaltung der sozialen Stellung und damit auf die Chancen, sich weiterhin erfolgreich innerhalb des Kollektives behaupten zu können. Zahlreiche Feldversuche belegen, dass eine starke Reduktion der Kronenlänge (in der Regel an der Länge des entfernten Kronenbereiches in Prozent der vorher vorhandenen Gesamtkronenlänge gemessen) Auswirkungen auf das weitere Wachstum eines Baumes hat.

Auswirkungen der Reduzierung der Blattmasse auf das Durchmesserwachstum eines Baumes

Bei solchen Fragen ist zwischen kurzfristigen (5 bis 10 Jahre) und langfristigen Konsequenzen zu unterscheiden. Die kurzfristigen Auswirkungen der Blattmassenreduktion auf den Durch-messerzuwachs (5 Jahre) sind in der Abb. 7.3 dargestellt. Man kann diese Ergebnisse im wesentlichen wie folgt zusammenfassen: Bei einer Verkürzung der Krone um mehr als 50 % lässt sich kurzfristig eine sehr deutliche Abnahme des Durchmesserzuwachses feststellen. Es muss aber betont werden, dass die Zuwachsreduktion von sehr kurzer Dauer ist. Nach Keller und Pfäffli (1987) ist der Zuwachs schon nach drei Jahren wieder normal.


Abb7.3.PNG

Abb. 7.3: Abnahme des Durchmesserzuwachses infolge von Kronenverkürzungen durch Grünastung.

nach Keller und Pfäffli (1987); Zumer (1966); Meyer (1968); Mitscherlich und v. Gadow (1968)

Auf die gesamte Produktionsdauer bezogen sind derartige vorübergehende Zuwachsreduk- tionen also vollkommen vernachlässigbar. Ausnahmen gibt es allerdings bei Eingriffen, die so einschneidend sind, dass sie einen sozialen Abstieg der geasteten Bäume zur Folge haben. Im schlimmsten Fall können Bäume durch eine solche, zu starke Grünastung sogar zum Absterben gebracht werden. Die Versuche von Zumer (1966), welche in jungen Fichtenbeständen von vier bis sechs Metern Höhe im Süden Norwegens durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass diese kritische Grenze erreicht wird, wenn bei einer Grünastung mehr als 60 % der Kronenlänge entfernt werden (siehe Tabelle 7.4).

Ist aber die Kronenreduktion kleiner als 30 %, so kann man andererseits in zahlreichen Fällen nicht nur keine Abnahme, sondern sogar leichte Zunahme des Durchmesserzuwachses beo-bachten (siehe Abb. 7.3). Dieses Phänomen lässt sich folgendermassen erklären: Entfernt man die untersten Äste der Krone, die ja aus der Sicht der Netto-Photosynthese nicht sehr produktiv arbeiten, so erreicht man dadurch eine Verbesserung des Assimilations-Atmungs-Verhältnisses des Baumes.


Tabelle 7.4: Auswirkungen extrem starker Grünastungen auf das Überleben und den sozialen Abstieg der geasteten Bäume (hier gültig für 4 bis 5 m hohe Fichtendickungen im Süden Norwegens)

Tabelle7.4.PNG

(nach Zumer,1966)

Kronenreduktionen zwischen 30 und 50 % führen zwar zu momentanen, d.h. vorübergehenden Zuwachsverlusten. Diese sind aber, zumindest auf Standorten normaler Bonität, vollkommen tolerierbar. An Standorten schlechter Bonität muss man sich hingegen vor allzu ausgeprägten Kronenreduktionen in Acht nehmen (Meyer, 1968; Keller und Pfäffli, 1987).

Auswirkungen der Grünastung auf das Höhenwachstum und die soziale Stellung

Eher noch als die Verluste an Durchmesserzuwachs, deren Auswirkungen, mit Ausnahme von Beständen mit schlechter individueller Stabilität, von sekundärer Bedeutung sind, sind für die weitere Entwicklung der geasteten Bäume vor allem die Abnahme des Höhenzuwachses sowie deren Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung der sozialen Stellung von Bedeutung. Die Auswirkungen der Kronenreduktion auf den weiteren Verlauf des Höhenzuwachses sind allerdings deutlich weniger offensichtlich als die bereits geschilderten Auswirkungen auf den Durchmesserzuwachs. In ihrer generellen Tendenz sind sie aber ähnlich.

Keller und Pfäffli (1987) haben für Fichten-Stangenhölzer auf Mittelland-Standorten gezeigt, dass nur ziemlich starke Astungseingriffe, bei denen nur 4 bzw. 3 Astquirle belassen wurden, eine generelle Verminderung des Höhenzuwachses (in der Grössenordnung von 10 %) zur Folge haben (siehe Abb. 7.5). Entnahmen von ungefähr einem Drittel der Kronenlänge bewirken, zumindest auf dem besseren der beiden Standorte, nicht eine Abnahme, sondern sogar eine Verbesserung des Höhenzuwachses. Ferner ist nur bei der extremsten Astungs-variante (d.h. bei einer Kronenverkürzung um 58 %) wirklich ein Rückgang der sozialen Stellung zu verzeichnen; und sogar in diesem Fall handelt es sich um soziale Abstiege von beschei-denem Ausmass. Der Einfluss der Konkurrenz im Bestand hatte statistisch gesehen eine grössere Wirkung auf den sozialen Abstieg als den der Wertastung.


Abb7.5.PNG

Abb. 7.5: Auswirkung starker Grünastungen auf den 5 jährigen Höhen- und Durchmesserzuwachs. Hier am Beispiel von Fichtenstangenhölzern, welche im Alter von 15 Jahren geastet wurden. Standort: Galio odorati - Fagetum typicum.

nach Keller und Pfäffli (1987)

Wie dem auch immer sei; lassen sich für die Durchführung der Wertastung die zwei wichtigen Schlussfolgerungen ziehen:

  • Bei Kronenreduktionen bis zu 50 % sind noch keine nennenswerte Auswirkungen, namentlich auf die soziale Stellung der geasteten Bäume zu erwarten. Solche Reduktionen zeigen bei der Fichte, dass mindestens vier Astquirle zurückbleiben sollen. Astungen von einer solchen Stärke können also ohne nennenswerte Nachteile in Betracht gezogen werden.
  • Im Zusammenhang mit der Durchführung der Wertastung ist es empfehlenswert, auch die Wettbewerbsverhältnisse zu regeln und dabei die ausgewählten und geasteten Bäume von ihren Konkurrenten zu befreien. Die Begünstigung der Auslesebäume kann gleichzeitig mit der Astung erfolgen. Um aber zu grosse Schockwirkung und zu plötzliche destabilisierende Wirkung auf den Bestand und insbesondere auf die Auslesebäume zu verhindern, ist es empfehlenswert, die Begünstigung der Auslese-bäume zeitlich etwas hinauszuschieben.