6.5.2 Baumweise Reaktion auf Eingriffe

Aus Wiki Waldmanagement
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Zum Inhaltsverzeichnis

Gemäss den Erkenntnissen der photosynthetischen Leistung der verschiedenen Kronenbereiche (siehe Abschnitt 5.1.2), ist es offensichtlich, dass wirksame Kronenbefreiungseingriffe in erster Linie darauf ausgerichtet sein müssen, die produktivsten Kronenbereiche, d.h. die Lichtkrone der Auslesebäume vom Konkurrenzdruck bzw. vom Schattenwurf durch Nachbarn zu befreien. In diesem Sinne scheint der Hochdurchforstungscharakter klar ausgewiesen, zumindest bezüglich Wirksamkeit der Befreiung begründet.

Ob der Auslesebaum nur von der Verdrängung durch die Konkurrenz zu lösen ist, oder ob eine Steuerung seines Durchmesserzuwachses durch kräftige Kronenbefreiung erfolgen soll, hat andere Konsequenzen in Bezug auf die Bestimmung der zu entfernenden Nachbarn, bzw. in Bezug auf die Anzahl zu entnehmender Konkurrenten.

Weil die Kronen nicht absolut undurchdringliche Körpervolumen, sondern eher sternförmig angeordnet sind (zumindest bei Koniferen), könnten nah aufeinander vorkommende Kronen bis zu einem gewissen Grad ineinander treten. Bezüglich Kronenüberlappung und ihre Wirkung konnte Pretzsch (1992) für Fichten und Buchen erwachsene Beständen in reiner Form und in Mischung zeigen, dass eine Rückbildung der Kronen erst bei einer Überlappung von etwa 1,5 m im Falle der Fichtenreinbestände erfolgt und 2 m bei der Buche. (siehe Abb. 6.8). Mischbestände weisen noch grössere Überlappung bevor sie sich zurückbilden.


Abb6.8.PNG

Abb. 6.8: Kronenzuwachs bzw. -rückbildung in Abhängigkeit der seitlichen Nähe der Kronen, für Fichten erwachsene Bestände und Buchen Bestände und ihre Mischungen. Negative Kronenzuwächse (Ordinate) bedeuten seitlicher Rückgang der Kronen.

nach Pretzsch, (1992)

Bezüglich den Schattenwurf und seine Konsequenzen für die Reduktion der Photosynthese stellt sich die Frage, ob eher die Nähe (der horizontale Abstand) der Konkurrenten oder ihre soziale Position, d.h. der Höhenunterschied, massgebender ist. Dieses Problem in der Beurteilung der Konkurrenzwirkung, ob der Distanznäheste oder der mit dem grössten Höhenunterschied mehr Wirkung auf den betrachteten Zentralbaum hat, zeigt Abbildung 6.9. Der Baum b scheint mehr zu konkurrenzieren, obwohl er sozial schlechter gestellt ist als der Baum a, der schon zu weit entfernt ist. Der direkteste Konkurrent ist also im allgemeinen derjenige Baum, welcher im unmittelbaren Umfeld des Auslesebaumes gleichzeitig am höchsten ist und am nächsten beim Elitebaum steht. In der Praxis ist dieser stärkste Konkurrent meist leicht zu erkennen. Er befindet sich nämlich in der Regel auf derjenigen Seite des Auslesebaumes, auf welcher die Lichtkrone am meisten verformt ist.


Abb6.9.PNG

Abb. 6.9: Schematische Darstellung der Konkurrenzwirkung.

Auch dürfte die Exposition zur Sonne eine Rolle spielen. Je nach Himmelsrichtung der befreiten Kronenteile wirken die Entnahme von Bäumen unterschiedlich auf die verbleibenden Bäume. Nach Woodmann (1971) sind die Kronenzonen mit guter photosynthetischer Leistung im Süden, d.h. auf der sonnenzugewandten Seite stärker ausgebildet als auf der Nord- bzw. Schattenseite. Die Ost- und Westseite der Krone weisen dabei mittlere Werte auf. (Siehe Abb. 6.10) Somit ist klar, dass die Entnahme eines Konkurrenten vor allem dann eine grosse Wirkung hat, wenn er sich auf der Südseite des verbleibenden Baumes befindet.


Abb6.10.PNG

Abb. 6.10: Zonen unterschiedlicher photosynthetischer Leistung je nach Himmelsrichtung am Beispiel einer 27 m hohen Douglasie (38 Jahre).

(nach Woodmann, 1971)

Zone I: maximale Produktivität Zone II: mittlere Produktivität Zone III:geringe Produktivität In Wäldern an steilen Hanglagen haben die Baumkronen die ungünstige Tendenz, sich aufgrund einer stärkeren talseitigen Entwicklung talwärts zu krümmen und sich deshalb gegenseitig zu überlappen. Die Kronen sind also oftmals asymmetrisch ausgebildet, was aus der Sicht der Stabilität ein offensichtlicher Nachteil ist. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass man im steilen Gelände die Tendenz hat, die reellen horizontalen Distanzen zwischen den Bäumen zu überschätzen und dadurch schwächer einzugreifen als es effektiv notwendig wäre. Die Entwicklung bzw. Ausformung der Baumkronen wie auch die horizontale Distanzen zu den Nachbarbäumen können am Hang am zuverlässigsten beurteilt bzw. abgeschätzt werden, wenn man die Bäume von ihrer Bergseite aus betrachtet. Dies ist einer der Gründe, warum es empfehlenswert ist, in Hanglagen die Anzeichnung von oben nach unten durchzuführen.

Die Neigung des Geländes wäre aber an sich kein ungünstiger Faktor. In einem gewissen Masse verleiht eine mässige Hangneigung sogar einen leichten Vorteil in Form einer gewissen Produktionssteigerung in der Grössenordung von 10 %. Dieser ist auf eine bessere Ausnützung des Raumes bzw. auf eine bessere Belichtung der Kronen aufgrund ihrer stufenartigen Anordnung zurückzuführen. Gemäss den systematischen Untersuchungen von McArdle et al. (1961) in Douglasienwäldern der USA liegt das Optimum der Produktionssteigerung bei einer Hangneigung von ungefähr 40 %. Wird die Hangneigung sehr gross, so beginnen die Nachteile aber deutlich zu überwiegen.

Mass für die Konkurrenz

Die Wirkung sowohl der Kronenüberlappung wie der Reduktion der Photosynthese durch Schattenwurf lässt sich aufgrund einfacher experimenteller Modelle mit Baumkronengestalt darstellen. Der resultierende Photosynthesereduktionsgrad lässt sich erfassen in Abhängigkeit der Nähe und der Höhenunterschiede der Konkurrenten (Schütz, 1999). Es zeigt sich (Abb 6.11) dass die Konkurrenz sehr stark exponentiell mit der Nähe der Nachbarn zunimmt (in fünfer Potenz). Sie beginnt, wenn der Kronenabstand 0,5 bis 0,8 (mal die Kronenbreite) beträgt. Weiterhin zeigt es sich, dass die Wirkung der seitlichen Nähe zum Baumhöhenunterschied in einem Verhältnis von etwa 1:1,8 steht. Das heisst, die Näherung von 1 Meter hat die gleiche Wirkung auf die Photosynthesereduktion wie ein Höhenunterschied von 0,6 m.


Abb6.11.PNG

Abb. 6.11: Verlauf des aufgrund der Reduktion der Photosynthese errechneten Konkurrenzfaktors (KPHOT) in Abhängigkeit des relativen Kronenabstandes (d-D/D) und der Höhenunterschied (dh) zwischen Konkurrent und Zentralbaum.

d = Abstand zw. den Bäumen; D = Kronenbreite des Zentralbaums. Ein d-D/D von 0 bedeutet Kronenkontakt, Negativwerte: Kronenüberlappung und Positivwerte Abstand zwischen Kronen: dh Höhenunterschied in m. Gilt für Modellbeispiel Fichte.

nach Schütz, (1999)

Situative Konkurrenz

Das Prinzip der situativen Betrachtung lässt sich auch in Bezug auf die Beurteilung der Anzahl zu entfernenden Konkurrenten baumweise interpretieren. Es ist naheliegend, dass hochvitale vorherrschende Bäume weniger Standraumbefreiung bedürfen als noch knapp herrschende Elemente. Im Sinne effizienter und naturopportuner Pflege soll dieses Prinzip viel mehr als bisher bei der Durchforstung berücksichtigt werden. Wenn wir uns nämlich nur um das Kollektiv der herrschenden Bäume in Endverteilung interessieren, müssen wir auch das Selbstentwicklungspotential von nur diesen (je nach Baumarten zwischen 100 und 250 stärksten Stämme pro ha) betrachten und möglicherweise innerhalb dieses Kollektives in ähnlicher Art und Weise wie bei der Qualität die Eingriffe auf die notwendigen Standraumerweiterungsbedürfnisse ausrichten.

Schon Pardé (1981) hat in hundertjährig beobachteten Versuchsflächen in Frankreich gezeigt, dass sich in schwach durchforsteten Versuchsflächen der Buche eine gute Selbstdifferenzierung ergibt und dass die 100 stärksten Bäume praktisch die gleichen Dimensionen erreichen wie in unterschiedlich stark durchforsteten Vergleichsflächen. Zu ähnlichen Ergebnissen führen die Bayerischen Beobachtungen aus ertragskundlichen, langfristigen Versuchsflächen. Nach Utschig (1997) wird der Durchmesserzuwachs der Oberhöhenbäume von Buchenbeständen (100 stärksten pro ha) nur geringfügig beeinflusst durch die Eingriffstärke. Es sieht also so aus, dass in Buchenbestockungen eine genügende Anzahl von Bäumen (zumindest für das Kollektiv der 100 stärksten/ha) mit natürlicher (oder angeborener) hoher Vitalität und Wettbewerbsfähigkeit sich in der Bestockung ohne Hilfe von Durchforstungseingriffen selbst durchsetzen. Bei der Fichte zeigen Preuhsler et al. (1989) ähnliche Tendenzen für 50jährige Fichtenbestände.

Diese Beobachtungen erlauben das Problem der Effizienz der Befreiung kritisch zu beleuchten. Indem eine Befreiung auch Kosten verursacht, aber auch die produktionierende Biomasse vermindert, was im Extremfall zu Zuwachsverlusten führen kann. Solche Verluste lassen sich volumenmässig bei der Buche, wenn die Grundfläche unter 22 m2 zurückgeht, nachweisen (Freist, 1962; Klädtke, 1997). Wie dem auch sei, es lässt sich überlegen, inwieweit das Selbstentwicklungspotential der Bäume bisher genügend beachtet wurde. Das führt zu differenzierten Eingriffen mit dem Ziel, nicht in jeden Fall gleich stark einzugreifen. Insbesondere gut entwickelte übervitale Bäume mit dominantem Sozialverhalten bedürfen keiner Befreiung. Die Zurückhaltung dürfte ein äusserst wirksames Mittel der biologischen Rationalisierung darstellen.

Wuchsförderung in Kombination mit der Generationsablösung: Vom Lichtwuchs zur Lichtung

Im Gegensatz zu den Aussagen über soziale Selbstentwicklung der 100 stärksten Buchen konnte Freist (1962) für ältere Buchenbestockungen einen deutlichen Effekt von kräftigen Eingriffen mit Unterbrechung des Kronendaches in der Phase der Lichtung auf den Durchmesserzuwachs der 100 stärksten Bäume nachweisen. Dies unterstützt Konzepte der Förderung des Zuwachses erst gegen Ende der Produktionszeit, sehr oft mit nahtlosem Übergang in die Verjüngung (Lichtungsbetrieb). Zum besseren Verständnis der verschiedenen Formen von waldbaulichen Vorgehen von Abschluss bis Ablösungsphase des Bestandeszyklus siehe Tab. 6.12.

Beim Lichtwuchsbetrieb geht es noch eindeutig um eine Form der Wuchssteuerung, welche sich bemüht, keine Produktionsverluste einzubauen. Es ist also eine Form der Bestandes-erziehung. Bei der Lichtung und weiteren Formen mit markanter Unterbrechung des Kronendaches geht es um die Benützung einer Wuchsbeschleunigung während der Ablösung der Generationen. Diese Fragen werden im Skript Waldbau II (Waldverjüngung) diskutiert.

Tabelle 6.12: Formen der gestaffelten Ablösung der Generationen bei Buchenbeständen mit entsprechendem Grundflächenrahmen (nach: Freist, 1962)

Tabelle6.12.PNG


Vergleichende Wertkalkulationen von optimierter Lichtwuchsdurchforstung nach Altherr (1971, 1981) gegenüber dem Lichtungsbetrieb nach Seebach (Dittmar, 1991) und den klassischen Durchforstungsbetrieben zeigen den Vorteil des Lichtungsbetriebs am Fallbeispiel der Buche (Abb. 6.13). Interessant bei diesen Ergebnissen ist, dass beim Leistungsausweis die Ergebnisse der Leistung getrennt nach Z-Bäumen und Füllbestand vorliegen. Es sind offensichtlich die Z-Bäume, welche die Mehrleistung des Lichtwuchsmodells ausmachen (Klädtke,1997).


Abb6.13.PNG

Abb. 6.13: Wertkalkulation bei Hiebsreife der Leistung des Lichtwuchs- bzw. Lichtungs- und Durchforstungsbetriebes am Fallbeispiel der Buche.

Dargestellt sind die erntekostenfreien Werte der Vornutzungen (AB) des Endbestandes (BB) und der Gesamtwuchsleistung (AB und BB). Kostenpreisbasis 1995, Baden-Württemberg. Die entsprechenden Leistungen der Z-Bäume sind getrennt ausgewiesen gegenüber dem Füllbestand.

A = Lichtwuchsdurchforstung nach Altherr; V = Klassische Durchforstung; F= Lichtungsbetrieb nach Freist (1962) (nach Klädtke, 1997)


Mit der Auflichtung im Kronenraum im Lichtwuchsbetrieb besteht die Gefahr der unerwünschten Entwicklung von Klebästen. Das ist einer der Gründe, warum diese Technik nur bei Baumarten, welche praktisch keine oder nur wenige Klebäste produzieren, angebracht ist (Lärche, Föhre, Douglasie). Bei der sehr empfindlichen Eiche ist sie nur insofern als die Eichen von einem Füllbestand gut eingepackt sind, zu verantworten.

Obwohl die Buche weniger empfindlich reagiert, gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen Kronenschluss und Anteil an Klebästen (siehe Abb. 6.14). Freist (1962) schätzt die Wertverluste infolge der Klebastentwicklung in der Grössenordnung von 20 %. Im Lichtwuchsbetrieb gehen sie sogar bis 35 %, wenn die Freistellung plötzlich erfolgt. Das Ganze hängt auch vom Alter der Bestockung beim Beginn des Lichtwuchses (Altherr et al. 1984 ; Klädtke, 1997) ab. Klebastbildungen in noch jüngerer Bestockung (Alter 50 bis 60) bildeten sich stärker zurück als in älteren Bestockungen.


Abb6.14.PNG

Abb. 6.14: Klebastbildung und Bestockungsdichte bei der Buche im Lichtwuchs- bzw. Lichtungsbetrieb.

(nach Freist, 1962)


Bei Buchenbeständen ist das Problem der Klebastbildung der Z-Bäume nicht hinderlich, wenn die Grundfläche über 20 m2 bleibt. Unter diesen Voraussetzungen bilden sich der grösste Anteil der Klebäste zurück. Wenn diese kritische Grundfläche unterschritten wird, wachsen die Klebäste in Länge und Dicke weiter und führen zu der unerwünschten Holzqualitätsbeeinträchtigung. Altherr et al. (1984) fanden, dass Klebäste präferenziell an Z-Bäumen, die vor Beginn des Lichtwuchses schon solche aufwiesen, gebildet werden. Diese Eigenschaft des Vorweisens von Klebästen wird als Auslesekriterium in einem solchen Fall betrachtet.

In Rücksicht auf das heutige grosse Vorkommen und die wirtschaftliche Bedeutung der Farbverkernung bei der Buchenwirtschaft, welches Phänomen in Zusammenhang mit der Alterung primär abhängig zu sein scheint (v. Büren, 1998; Höwecke et al. 1991; Seeling, 1992; Höwecke 1998), müssen die Vorteile solcher Systeme nicht allzu überschätzt werden. Ein frühzeitiger Beginn des Lichtwuchses (d.h. im Alter 45 bis 65 Jahren) scheint aber ein durchaus denkbares Pflegemodell zu sein (Klädtke, 1997 ; Schütz, 1998). Siehe dazu den Verlauf der Grundflächenhaltung im Lichtwuchsbetrieb nach Altherr (1971).


Abb6.15.PNG

Abb. 6.15: Grundflächenverlauf im Fall des Lichtwuchsmodells nach Altherr. (nach Altherr, 1971)