6.3.4 Spezielle Fragen bei der Dickungspflege

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Wahl Astung/Ästigkeit

Die Astigkeit ist das Hauptmerkmal der Erziehung und Auslese bei Koniferen und anderen Totasterhalter (Kirschbaum). Eine der relevanten Frage ist, ob und wie eine Eindämmung allzu grober Äste durch hohe Bestockungsdichte erfolgt, oder ob die Förderung des Wachstums und der Stabilität mit Reduzierung der Bestockungsdichte anzustreben ist. Selbstverständlich spielt dabei die Entscheidung, ob wertgeastet wird oder nicht, eine Rolle. Das Problem hat zwei Seiten: wenn wir davon ausgehen, dass bei Totasterhaltern nur die Wertastung rechtzeitig die Anforderung an Astfreiholz zu erfüllen erlaubt, nützt es nichts, wie oftmals in der Vergangenheit angestrebt, die Qualität durch überdichten Stand zu erzwingen, was zu Kosten der Stabilität und der Wuchsfreudigkeit geht. In diesem Fall ist die Frage der nicht zu überschreitenden maximalen Astdicke in Bezug auf Wertastung relevant. Die andere Frage ist, ob die genetische Auslese nach dem Kriterium Feinastigkeit ein geeignetes Auswahlkriterium ist. Diese zwei Fragen werden weiter unten am Fallbeispiel der Fichte bzw. der Föhre behandelt.

Astdicke und Bestockungsdichte

Die Untersuchungen von Kenk und Unfried (1980)<ref name='Kenk'>Kenk, G., Unfried, P., 1980: Aststärken in Douglasienbeständen. Allg. Forst‑ u. J.‑Ztg. 151, 11: 201‑210.</ref> in 15- bis 20-jährigen Fichten- und Douglasienpflanzungen, welche mit relativ weiten Pflanzabständen angelegt wurden, wie auch die Untersuchungen von Merkel (1967)[[Referenz::Merkel;1967;Merkel, O., 1967: Der Einfluss des Baumabstandes auf die Aststärke der Fichte. Allg. Forst‑ u. J.‑Ztg. 138, 6: 113‑125. | ]]<ref name='Merkel'>Merkel, O., 1967: Der Einfluss des Baumabstandes auf die Aststärke der Fichte. Allg. Forst‑ u. J.‑Ztg. 138, 6: 113‑125.</ref> für die Fichte, zeigen, dass zwischen dem Lebensraum derjenigen herrschenden Bäume, die als Auslesebäume auszuwählen und zu asten sind, und dem Durchmesser ihrer Äste ein Zusammenhang besteht (siehe Abb. 6.5).


Abb6.5.PNG

Abb. 6.5: Astdurchmesser und Bestockungsdichte in 15- bis 20-jährigen Fichten- und Douglasienbestockungen.


(nach Kenk und Unfried, 1980<ref name="Kenk"></ref>; Merkel, 1967<ref name="Merkel"></ref>)

Mit demselben Wuchsraum weisen die Douglasien (mit einer grösseren Astdicke in der Grössenordnung von 13 bis 42 %) deutlich stärkere Äste auf als die Fichten. Im Falle einer vorgesehenen künstlichen Astung und der Festlegung, dass der Astdurchmesser der Auslesebäume eine bestimmte Dicke (z.B. 2 cm) nicht überschreiten soll, lassen sich die minimalen Bestockungsdichten bzw. die maximalen Abstände zwischen den Auslesebäumen für die Dickungsstufe mehr oder weniger genau festlegen.

Die Grenze von 2 cm wird auf Grund biologisch-pathologischen Überlegungen gefordert, weil dabei die Gefahr von Infektion durch Pathogene zunimmt. In der Praxis ist dies etwas umstritten, mit der Begründung, dass die Arbeitsqualität bei der Astentnahme entscheidender ist als die Wundgrösse. Gemäss Abb. 6.5 kann man also, für einen tolerierten Astdurchmesser von 2 cm, diesen maximalen Zwischenraum ungefähr auf 2,2 Meter und die entsprechende minimale Stammzahl an herrschenden Bäumen etwa auf etwa 2000 St. pro Hektare abschätzen.

Wuchseigenschaften oder Astfeinheit als Auslesekriterium, oder das Problem der Protzen

Ob bei der Dickungspflege das Kriterium der feinen Astdicke als Auslesefaktor geeignet ist, bedarf folgenden Kommentars. Grundsätzlich ist es berechtigt zu hinterfragen, ob Astdicke das Ergebnis von guten Wuchseigenschaften oder von einer guten Veranlagung ist. Dies hat Konsequenzen zur Festlegung der Bedeutung dieses Kriteriums für die phänotypische Auslese. Aus biologischer Sicht leuchtet es einigermassen ein, dass zwischen Astdicke und Wuchsfreudigkeit ein Zusammenhang bestehen soll. Wenn das stimmt, sind die gut beasteten Bäume eher zu fördern, weil das Kriterium des guten Wuchses langfristig interessanter ist, vorausgesetzt, dass die Wertastung als Massnahmen der Wertschöpfung vorgesehen wird.

Das ganze wird am Fallbeispiel einer Baumart mit ökotypischer Variation wie die Föhre dargestellt. Bei der Waldföhre lassen sich in derselben Population verschiedene Wuchstypen erkennen, welche u.a. eine unterschiedlich starke Ausprägung der Aststärke aufweisen. So lassen sich in jeder Population aus Waldföhren zwei Grundformen erkennen (siehe Abb. 6.6).


Abb6.6.PNG

Abb. 6.6: Die zwei genetischen Grundmuster der Form in Föhrenpopulationen: der nordische Typ und der Tieflagentyp. (nach Schöpf, 1954, in: Mayer, 1984)<ref name='Schöpf'>Schöpf, J., 1954: Untersuchungen über Astbildung und Astreinigung der Selber Kiefer. Forstw. Cbl. 73: 275‑290.</ref><ref name='Mayer'>Mayer, H., 1984: Waldbau auf soziologisch‑ökologischer Grundlage. 3. Aufl. Fischer, Stuttgart & New York, 514 S.</ref>


Es handelt sich dabei einerseits um den nordischen Typ, welcher sich durch seine schmale Krone, seinen spitzen Wipfel und, was von besonderer Bedeutung ist, durch sein feines Astwerk auszeichnet, dafür aber nur ein bescheidenes Dickenwachstum aufweist. Auf der anderen Seite erkennt man den Tieflagentyp, der zwar eine breite, ausladende und abgeflachte Krone sowie grobe und dicke Äste aufweist, sich aber gleichzeitig durch ein gutes Dickenwachstum auszeichnet, und dessen extremste Form sich in der Schirmföhre erkennen lässt. Führt man nun eine Auslese streng auf den nordischen Typ, so erhält man zwar Bäume mit einer guten Form, einem verträglichen Wuchsverhalten sowie einem feinen Astwerk; hinsichtlich der Wachstumsgeschwindigkeit wird man dadurch aber gewisse Abstriche in Kauf nehmen müssen.

Für die Produktion von Föhren-Qualitätsholz geht es im Endeffekt aber auch darum, in angemessenen Zeiträumen die angestrebten Dimensionen zu erreichen. Somit muss man also eine gute, d.h. den Zielsetzungen am besten entsprechende Kompromisslösung zwischen der Wachstumsgeschwindigkeit und der Wuchsform finden.

Die angestrebte Lösung muss das Schneebruchrisiko auf jeden Fall entsprechend berücksichtigen, da hohe Schneelasten gerade für die Föhre eine besondere Gefährdung darstellen. In den Föhrendickungen findet man aber oft auch Individuen mit einem kräftigen Höhenwachstum und einer entsprechenden, sozial aufsteigenden Tendenz (Ganther, 1983)<ref name='Ganther'>Ganther, S., 1983: Untersuchung über die Wuchsdynamik, Nachbarschaft, soziologische Umsetzung und Qualitätsentwicklung in natürlich verjüngten Föhren‑ Jungwäldern in der Gemeinde Glattfelden. Schweiz. Z. Forstwes. 134, 11: 905‑914.</ref>, welche trotzdem ein regelmässiges und nicht unbedingt grobes Astwerk aufweisen. Es wäre nun völlig falsch, diese Bäume für unbrauchbare oder gar für schädliche Protzen zu halten und deshalb rigoros zu entfernen. Ganz im Gegenteil verkörpern gerade diese Bäume, sofern sie den oberen Bereich des Kronenschirmes nicht zu stark überwachsen, diejenigen Individuen, die es zu begünstigen gilt.

Dabei muss man allerdings darauf achten, dass die Grenze zwischen dem Protzen, der sich breit macht und der ein sehr grobes, unregelmässiges Astwerk mit eher steil angesetzten Ästen aufweist, welche sich später zu eigentlichen Steilästen entwickeln können, und der ebenfalls gut wachsenden Föhre, welche aber eine regelmässige Kronenarchitektur aufweist, schnell überschritten werden kann. Die Abschätzung dieser Grenze bzw. die Erkennung der förderungswürdigen Bäume ist wie eine Gratwanderung zwischen wachsen lassen und Erhaltung einer genügenden Bestockungsdichte, um die Grobästigkeit zu verdrängen.

Auch wenn dieses Fallbeispiel der Ausprägung zwischen Wuchskraft und Wuchsform besonders für die Föhre typisch ist, gilt sie mehr oder weniger auch für die anderen Baumarten. Dabei stellen die Fichte und die Tanne allerdings zwei Baumarten dar, welche auch bei kräftigem Höhenwachstum ziemlich gleichmässig wachsen und nicht sehr stark dazu tendieren, Protzen zu bilden. Bei der Douglasie hingegen, einer Baumart mit einer breiten intra-populationellen Variabilität, stellt ein guter Wuchscharakter zweifellos ein günstiges Auslesekriterium dar.

Beiläufige Massnahmen

Neben dem Aushieb von Bäumen kommen in der Dickungspflege subsidiär noch weitere Massnahmen in Betracht. Es handelt sich dabei um den Schutz vor Fege- und Schlagschäden. Als beiläufige Massnahme ist die Korrektur von Steilrändern zu erwähnen. Die wichtigsten Gefährdungen während der Dickungsstufe sind also die Risiken von Fege- und Schlagschäden durch das Schalenwild, von Schäden durch Kleinsäuger wie insbesondere Mäuse sowie pathologische Beschädigungen der Endknospen oder der neuen Triebe.

Fegeschäden durch Schalenwild betreffen insbesondere Baumarten wie Douglasie, Föhre, Tanne und die Weichholzarten. Bei starker und hoher Schalenwilddichte besteht die Abwehr in flächigem Schutz (Zäune) oder Einzelschutz (Körbe, Plastikhülle u.ä.).

Mäuse (Erd- und Rötelmäuse) nagen im Wurzelsystem und teilweise im unteren Stammteil in den jungen Stadien der Dickung, wenn noch eine dichte Bodenvegetation besteht, vorzugsweise Laubholzarten. Als besonders gefährdet sind bestimmte Weichholzarten, aber auch Eichen und Eschen. Guerdat (1997) konnte zeigen, dass vorgewachsene, beigemischte Pionierbaumarten insbesondere Salweiden (allenfalls Schwarzerle) präferenziell von den Mäusen angegangen werden; hingegen Birken praktisch nicht. Diese besonders attraktiven Baumarten können die Schäden auf sich ziehen und somit als günstige Wirkung die Schonung beigemischter Edelholzarten wie z.B. Eichen bewirken (sog. Blitzableiterfunktion).

Beschädigungen der Endknospen bzw. der neuen Triebe können zu Verformungen der Hauptachse, zu buschigen Wuchsformen und im ungünstigsten Fall zur Bildung von Zwieseln führen. Bei den letztgenannten Schäden handelt es sich im wesentlichen um Auswirkungen von Spätfrösten (namentlich bei der Esche und der Douglasie) sowie um Beeinträchtigungen, welche durch verschiedene schädliche Insekten, z.B. den Lärchenblasenfuss (Thaeniothrips laricivorus), die Tannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae früher Dreyfusia nusslini) die Eschenzwieselmotte (Prays curtisellus Dup.) oder der Waldgärtner der Föhre (Tomicus piniperda L. ; Tomicus minor Htg.) verursacht werden.

Zeitpunkt der Eingriffe

Obwohl der Eingriff nicht zwangsweise an eine bestimmte Jahreszeit gebunden ist, wird die Dickungspflege normalerweise im Sommer und am Anfang des Herbstes durchgeführt. Dies geschieht aus organisatorischen Gründen, weil die anderen Jahreszeiten i.d.R. durch andere, nicht verschiebbare forstliche Arbeiten ausgelastet sind. Aus Gründen der Arbeitsbedingungen (Ergonomie) soll die Dickungspflege möglichst mit manuellen Werkzeugen (Gertel, Handsäge) bei trockenem Wetter ausgeführt werden. Wichtig ist, dass sie auf die Tierwelt (Brut- und Setzzeit im Frühling und Frühsommer) Rücksicht nehmen.

Referenzen

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