5.2.4 Wirkung der Durchforstungen auf Stabilität

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Zusammenhang zwischen Durchforstungstätigkeit und den wichtigen Indikatoren wie h:d oder Bekronungsgrad, wie die Ergebnisse der dänischen Durchforstungsversuche zeigen (Bryndum 1969) Bryndum (1969, Bryndum, H., 1969: A thinning experiment in Norway spruce in Gludsted plantations (Dän.). Det forstl. Forsögsvaesen i Danmark 32, 1: 5-155.)<ref name="Bryndum">Bryndum, H., 1969: A thinning experiment in Norway spruce in Gludsted plantations (Dän.). Det forstl. Forsögsvaesen i Danmark 32, 1: 5-155.</ref>. Die Regelung der Bestockungsdichte mit wiederholten Durchforstungen begünstigt die Formeigenschaften der Bäume. Die Durchforstung wirkt sowohl auf die Kronenlängen wie auch auf das Dickenwachstum der Stämme (siehe Abb. 5.23.)


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Abb. 5.23: Wirkung der Durchforstung auf die Baumformeigenschaften (Höhe, BHD, Kronengrössen). Dargestellt sind die mittleren Bäume von sehr unterschiedlich durchforsteten, etwa 70-jährigen Fichtenbeständen im dänischen Durchforstungsversuch Gludsted. Die Durchforstungsstärke nimmt von links nach rechts zu. <ref name="Bryndum">Bryndum, H., 1969: A thinning experiment in Norway spruce in Gludsted plantations (Dän.). Det forstl. Forsögsvaesen i Danmark 32, 1: 5-155.</ref>.

Weil aber mit der Freistellung der Wertträger die Bewegungsamplitude der Bäume notgedrungen zunimmt, nimmt auch die Gefahr einer Destabilisierung zu und zwar unmittelbar nach den Durchforstungseingriffen. So nimmt mit der Stärke der Durchforstungseingriffe das Risiko von Beschädigung zu (Abb. 5.24). Wie Mitscherlich (1981) in einem Douglasienbestand gezeigt hat, ist die Bewegungsamplitude nach einem starken Eingriff zwei- bis dreimal höher als vorher. Als Konsequenz davon weisen durchforstete Bestände bis ein bis drei Jahre nach dem Eingriff ein erhöhtes Bruchrisiko aus. Diese Gefahr ist umso höher, je dichter ein Bestand vor dem Eingriff war, je schlechter die individuellen statischen Widerstandskräfte der einzelnen Bestandesglieder sind und je aufgelöser die Vernetzungsstruktur im Kronenraum nach dem Eingriff ist.

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Abb. 5.24: Schneedruckschäden und Durchforstungsstärke. <ref>Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref>

Bei der Analyse des Gefährdungsgrades hinsichtlich Schneedruckschäden ist nicht nur das durchschnittliche h:d relevant, sondern es soll eine Differenzierung innerhalb der Bestockung vorgenommen werden. So zeigen die Ergebnisse des Fichten-Durchforstungsversuchs Göggingen (Württemberg) nach 50 Jahren Durchforstung mit grosser Staffelung der Eingriffsstärke (Abb. 5.25), dass der Schlankheitsgrad der herrschenden Bäume (100 Stärkste/ha) kaum von der Durchforstung beeinflusst ist. Diese Bäume dürfen wir als Stabilitätsträger (sog. Gerüstbäume) betrachten. Wir beginnen zu ahnen, dass auch in schlecht gepflegten, sogar überhaupt nicht berührten Bestockungen eine genügende Anzahl von Bäumen mit guter natürlicher Stabilität gibt. Ähnliche Ergebnisse haben Pardé (1981) <ref>Pardé, J., 1981: De 1882 à 1976/80 les places d’expérience de sylviculture du hêtre en forêt domaniale de Haye. Rev. For. Fr. 33, No spec. : 41-64.</ref> bzw. Utschig (2000) <ref>Utschig, H., 2000: Wachstum vorherrschender Buchen in Abhängigkeit von Standort und Behandlung. Forst u. Holz 55, 2: 44-50.</ref> für die Buche und Preuhsler und Schmidt (1989) <ref>Preuhsler, T., Schmidt, R., 1989: Beobachtungen auf einem spät durchforsteten Fichten-Versuch. Forstwiss. Cbl. 108: 271-288.</ref> für die Fichte ausgewiesen.

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Abb. 5.25: Schlankheitsgrade unterschiedlicher Baumkategorien in Abhängigkeit der Durchforstungstätigkeit. FichtenversuchGöggingen (Württemberg) im Alter 50. Die Durchforstungsstärke ist mit der mittleren Grundflächenhaltung gemessen. <ref name="Huss">Huss, J., 1998: Der Fichten-Durchforstungsversuch Göggingen. Eisschäden an Fichten in einem Durchforstungsversuch. Allg. ForstZ. 53 ,8: 430-432.</ref>.

Interessant ist weiterhin, in Abb. 5.25 den Schlankheitsgrad der durch ein extrem starkes Eishangereignis betroffenen Fichten zu vergleichen. Offensichtlich haben die gravierenden Eishangschäden nur die sozial niederwertigen Bäume mit hohen Schlankheitsgraden betroffen. Eine Differenzierung der Schäden nach Durchforstungsart und Grad zeigt, dass tendenziell höhere Schäden mit fatalen Konsequenzen (d.h. Stammbrüche) in flächig und sozial hoch anfallenden Baumentnahmen (also hier Auslesedurchforstungen) als in um Z-Bäume konzentrierten und Niederdurchforstungen anfallen (Huss, 1998) <ref name="Huss">Huss, J., 1998: Der Fichten-Durchforstungsversuch Göggingen. Eisschäden an Fichten in einem Durchforstungsversuch. Allg. ForstZ. 53 ,8: 430-432.</ref>.


Konsequenzen für die Praxis der Durchforstung in empfindlichen Bestockungen

Die folgenden Schlussfolgerungen gelten im Wesentlichen für Bestockungen aus empfindlichen Baumarten (Fi, , Ta) im sensiblen Alter (Stangenholz) und in von schwerem Schnee heimgesuchten Lagen. Mit der Durchforstung sollen gleichzeitig Bäume in ihrer Entwicklung gefördert und die negative Konsequenzen des Unterbruchs des Kronendaches bezüglich Destabilisierung minimiert werden. Dies ist eine Art Gratwanderung.

Bezüglich Destabilisierung wirkt nicht jede Durchforstung gleich. So ist zu unterscheiden zwischen:

  • Art der Eingriffe; z.B. Hochdurchforstungseingriffe, welche auch die effiziente Art der Befreiung der Wertträger ist, führen auch zu einer konzentrierten Freisetzung der Wertträger und grösserer Bewegungsfreiheit und somit erhöhten Risiken.
  • Die Anzahl der Wertträger. Insbesondere in der schwachen Stangenholzstufe, in welcher die Bäume relativ kleine Staturen aufweisen, führt das Konzentrieren der Eingriffe um knappe Wertträger (z.B. im Endabstand) zu einer wesentlich geringeren Auflösung des Kronendaches (Abb. 5.26)
  • Die soziale Stellung der Wertträger: indem, wie Abb. 5.12 zeigte, weniger kräftig eingegrifen werden soll um natürlich hochherrschende Wertträger als um die sozial etwas niederwertigen. Damit nimmt der Grad der Bestandesauflösung mit der sozialen Stellung der gewählten Wertträgers ab.

Die Gefahr einer Auflösung der Stabilität nach Eingriffen ist gross, wenn der Kronenschluss systematisch aufgelöst wird. Dies spiegelt sich im flächenbezogenen Durchforstungsprozent wieder und hängt im Wesentlichen von der Anzahl und Verteilung der einzelnen Eingriffspunkte (Durchforstungszellen) ab. Bei der Befreiung einer knappen Anzahl von ohnehin mehr oder weniger selbstherrschenden Bäumen, auch im Fall von situativ kräftiger Kronenbefreiung, ergibt sich flächenbezogen insgesamt eine geringere Eingriffsstärke und entsprechend ein annehmbarer Unterbruch des Kronenschlusses (Abb. 5.26).

Abb5.26.png

Abb. 5.26: Bestandesbezogene Eingriffsstärke in Abhängigkeit der Anzahl ausgewählter Auslesebäume in der Stangenholzstufe. Gilt für Fichten- Stangenholz (Alter 20, Do 18 cm) beim ersten Durchforstungseingriff. Dargestellt sind für eine knappe Anzahl von Auslesebäumen (durchgezogene Linie) Ergebnisse von Simulationen der Eingriffsgrade an Hand der situativen Eingriffsgrade wie in Abbildung 5.12. Mit Einzelpunkten dargestellt sind die Ergebnisse von Durchforstungsübungen im Waldbauunterricht der ETHZ in vergleichbaren Fichtenbestockungen im Fall einer grösseren Anzahl von Auslesebäumen. <ref>Schütz, J.-Ph. 2000: Kosteneffiziente Waldpflege. Wald und Holz 11/2000: 47-50 und 12/2000: 23-25.</ref>

Unter diesen Umständen gilt: Je unstabiler eine Bestockung und je höher die entwicklungsbedingten (bestandesbezogenen) bzw. standortsbedingten Risiken (topographisch und klimatisch gesehen), desto geringer die Anzahl Auslesebäume, bei denen eingegriffen werden soll, ausgehend von den vitalsten.

Für eine gute Stabilität soll die Kronenlänge länger als ein Drittel der Baumhöhe sein. In besonders gefährdeten Zonen soll die Länge der Krone gegen die Hälfte der Baumhöhe erreichen. Was die genetischen Faktoren betrifft, so dürfte z.B. der Verzweigungstyp eines Baumes einen Einfluss haben. So sind z.B. die Fichten mit bürstenartiger Verzweigung empfindlicher gegenüber Schneelasten als die sogenannten Kammfichten. Die topographische Lage hat vor allem für Zonen im Windschatten mit vermehrten Schneeablagerungen einen negativen Einfluss. Was die Exposition betrifft, ist ein leichter Anstieg der Schäden bei nördlicher und östlicher Exposition festzustellen.


Behandlung von nicht rechtzeitig gepflegten Bestockungen (auf Stablität kritisch-labile Bestockung)

In solchen Fällen von kritisch-labilen Bestände geht man von der Vorstellung einer möglichst kleinsten Unterbrechung vom Kronendach aus, aber trotzdem die Förderung der Einzelstabilitätseigenschaften durch Kronenpflege bzw. Förderung der Bekronung anstrebt. Der Kompromiss kann darin bestehen, dass es genügt, eine relativ kleine Anzahl von stabilitätsbildende Elemente einer Bestockung (die sog. Gerüstbäume) zu berücksichtigen. Die kronenpflegende Eingriffe sollen also nicht flächendeckend ausfallen, sondern nur punktuell, um die Gerüstbäume zu befreien, die ohnehin vom Wesen her zu den sozial besten gehören.

In welcher Anzahl und welcher Vernetzung diese Gerüstbäume stehen müssen, ist noch nicht voll geklärt. Ihre Anzahl ist sicher kleiner als die normalerweise bei Durchforstungen angestrebte Zahl der Z-Bäume, welche nach einer möglichst vollen Raumausschöpfungs- bzw. maximalen Produktionsgedanke zu Grunde geht. Ob es nur 100 Gerüstbäume/ha braucht oder nur 80 oder sogar weniger, steht noch nicht endgültig fest. Es ist aber klar, dass Eingriffe, welche nur wenige und zwar ohnehin die bestbekronten sozial herrschende betrachtet zu wesentlich kleinereren Auflösung im Kronengefüge d.h. auch zu geringeren Destabilisierungsrisiken führen. Man kann sogar als Regel für solche Behandlungen festlegen dass je kritischer die Bestandeslabilität desto weniger Gerüstbäume (von der sozial besten Ende aus) auszugehen ist, zumindest bei den ersten stabilisierende Pflegeeingriffe.


Durchforstung und Sturmgefährdung

Aus waldbaulicher Sicht ist das Problem der Anfälligkeit von Beständen gegenüber Sturmschäden in erster Linie auch eine Frage der Baumartenwahl. Wohlverstanden bleiben dabei aber noch die Beeinflussungsmöglichkeiten durch die waldbauliche Behandlung. Sturmschäden betreffen im Wesentlichen ältere Bestockungen. Ein günstiger Einfluss der bisherigen Pflege (Durchforstung) ist weniger klar auszuweisen als für Schneeschäden, weil sich das h:d mit zunehmendem Alter ständig verbessert. Darüber hinaus scheinen mässige Stürme nicht präferenziell die schlanksten Bäume zu brechen, sondern eher die mittelstarken (Richter, 1996 Peltola et al., 2000) <ref>Peltola, H., Kellomaki, S., Hassinen, A., Granander, M., 2000: Mechanical stability of Scots pines, Norway spruce and birch; An analysis of tree-pulling experiments in Finland. For. Ecol. Managem. 135: 143-153.</ref> <ref>Richter, J., 1996: Sturmschäden in Fichtenbeständen. Allg. Forst u. J.Ztg. 167, 12: 234-238.</ref>; , weil die Segelwirkung der Krone offensichtlich eine gewichtigere Rolle spielt als die abholzige Stammform und weil die Bruchgefahr grösser ist bei Bäumen mit breiten Jahrringen (Seeling, 1995) <ref>Seeling, U., 1995: Zielstärkendurchforstung Olper Fichtenjungbestände. Allg. orstZ. 50 13:711-714</ref>.

In Bezug auf Wurfempfindlichkeit ist die Anfälligkeit noch weniger eindeutig. Sie hängt wahrscheinlich von zufälligen Faktoren ab, wie dem Gesundheitszustand der für die Verankerung relevanten mächtigen Wurzeln im Luv und von der durchforstungsabhängigen Breite der Wurzelballe. Generell sind evidenterweise die Bodeneigenschaften massgebend, namentlich die Tiefgründigkeit sowie die Kohäsion. Die physikalischen Bodenbedingungen, namentlich eine mangelhafte Bodendurchlüftung, beeinflussen die Entwicklung des Wurzelsystems. Dies hat oft zur Folge, dass sich das Wurzelsystem von Baumarten, welche auf gut erschliessbaren Böden normalerweise ein umfangreiches, genügend tiefgründiges Wurzelwerk bilden können, auf oberflächlichen bzw. nur schwierig erschliessbaren Böden auch nur oberflächlich und kümmerlich ausbildet. Dabei spielen die baumartenspezifischen Eigenschaften (z.B. die Erträglichkeit von Flachgründigkeit und Bodenvernässung) eine entscheidende Rolle.

Weil bei Sturmschäden auch ein deutlicher Zusammenhang zwischen Schadenanfälligkeit und der Zeitspanne seit der letzten Durchforstung besteht (sieh Abb. 5.27), darf der Einfluss der Durchforstung eher als prädisponierend betrachtet werden. Dies gilt für verspätete Durchforstung. Generell kann man davon ausgehen, dass frühzeitige Förderung der Stammform und Abstandsregelung durch Pflegeeingriffe in jüngeren Bestockungen positive Wirkungen auf Stammform und Wurzelballe haben.

Abb5.27.png

Abb. 5.27: Windwurfprozent (Volumen) von Fichtenbestockungen in Abhängigkeit der Oberhöhe, und der Zeit seit der letzten Durchforstung <ref>Persson, P., 1975: Windthrow in forest: it’s causes and the effects of forestry measures. orig. Schwed.; Rapp. Upps. Inst. Skogsprod. 36, 294 S.</ref>

Das ganze spricht eher für Durchforstungsruhe ab mittlerer Bauholzstufe, zumindest für empfindliche Baumarten (Fichte, Tanne). Viel entscheidender als die Bewegungsfreiheit der Bäume ist für die Sturmanfälligkeit die Oberflächenrauigkeit des Kronendaches, d.h. das Fehlen von Bestandeslöchern und von inneren Grenzlinien und Rändern, welche zur Bildung von Turbulenzen führen, die dann bezüglich Stabilität entscheidend wirken.

Die Probleme sind weitestgehend dann am stärksten, wenn es darum geht, die Bestände zu verjüngen. So ist eine unkontrollierte Bildung von Bestandeslöchern bei empfindlichen Baumarten zu vermeiden. Bei der Verjüngung von reinen Nadelholzbeständen besteht ein Bündel von Techniken, um diese Probleme zu meistern (siehe Skript Waldbau II). Im Wesentlichen geht es darum, Frontrichtung und –form zu kontrollieren. Die Förderung der individuellen Stabilität der Bäume mit Durchforstungen sowie die Schaffung von gemischten Beständen tragen dazu bei, den späteren Handlungsspielraum im Zeitpunkt der Verjüngung zu erhöhen.

Referenz

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