5.2.2.2 Wirkung auf den Standraum und Zuwachs der (Einzel)Bäume

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Kronenexpansion und Standraumausnützung

Die unmittelbare Wirkung von Baumentnahmen erlaubt den befreiten Wertträger, den erweiterten zur Verfügung stehenden Standraum durch eine Ausdehnung ihrer Kronen auszunutzen. Dabei ist klar, dass diese Ausdehnung sowohl seitlich wie auch durch Ausstrecken in der Höhe erfolgt. Das Ganze hängt also von im wesentlichen altersbedingten Höhenzuwachs und vom seitlichen Standraum ab. Folgerichtig soll die Reaktion auf Befreiungseingriffe primär vom Alter abhängig sein. Andere Faktoren wie Standortsgüte, Gesundheitszustand und Kronengrösse dürften eine Rolle mitspielen.

Es ist auch klar, dass Unterschiede zwischen den Baumarten bestehen. Die Eigenschaften der Kronenausdehnung sind insbesondere zwischen Koniferen und Laubholzarten recht unterschiedlich. Die Koniferen mit spindelförmigen Kronen bevorzugen die Ausdehnung der Krone in die Höhe und reagieren weniger stark seitlich. Umgekehrt ist es bei den Laubholzarten, deren Kronen eher seitlich expandieren. Die Koniferen besitzen dadurch ein günstigeresStandraumausnützungspotential. Die Konsequenz von zu starker seitlicher Kronenexpansion führt dazu, dass der Anteil des photosynthetisch unwirksamen Kronenkerns zunimmt, was zu einer ungünstigeren Standraumökonomie führt. Untersuchungen von Burger (1939) <ref>Burger, H., 1939: Baumkrone und Zuwachs in zwei hiebsreifen Fichtenbeständen. Mitt. schweiz. Anst. forstl. VersWes. 21, 1: 147-175.</ref> und Badoux (1939) <ref>Badoux E., 1939: De l'influence de différents modes et degrés d'éclaircie dans les hêtraies pures. Mitt. schweiz. Anst. forstl. VersWes. 21, 1: 59-146.</ref>S haben schon seit längerer Zeit für Buchen-, Fichten- und Douglasienbestände gezeigt, dass mitherrschende Bäume eine günstigere Standraumausnützungseffizienz in Bezug auf den Volumenzuwachs aufweisen als herrschende. Diese Sicht bestätigen Berechnungen der Standraumökonomie der Bäume in Eichen-, Fichten- und Buchenbestände der bayerischen Versuchsflächen von Utschig (2002) <ref>Utschig, H., 2002: Analyse der Standraumökonomie von Einzelbäumen auf langfristig beobachteten Versuchsflächen; Methoden, Programmentwicklung und erste Ergebnisse. Forstwiss. Cbl. 121: 335-348.</ref>. Der standraumbezogene Volumenzuwachs von mittel bekronten Bäume ist immer besser als derjenige der grosskronigen Elemente erwachsener Bestockungen.

Auf alle Fälle sind die artenspezifischen Reaktionen bei der Interpretation von Versuchsergebnissen gebührend zu betrachten.

Wie Beobachtungen von Bouchon et al., (1989) <ref name="Bouchon">Bouchon, J., Dhôte, J.-F., Lanier, L., 1989: Note sur la réaction individuelle du hêtre à différentes intensités d'éclaircie et à différents âges. Rev. For. Fr. 41, 1: 39-50.</ref> zeigen, ist die seitliche Reaktion der Kronen von 50- bis 70jährigen Buchenwertträgern auf Durchforstungseingriffe praktisch linear abhängig von der Anzahl entfernter Konkurrenten (siehe Abb. 5.17). Es ist anzunehmen, dass diese Reaktion bei Koniferen nicht so eindeutig wird.

Abb5.17.png

Abb. 5.17: Reaktion von Buchenkronen auf die Entfernung von Konkurrenten. Gilt für Buchenbestände im Altersbereich von 50 bis 70 Jahre. <ref name="Bouchon">Bouchon, J., Dhôte, J.-F., Lanier, L., 1989: Note sur la réaction individuelle du hêtre à différentes intensités d'éclaircie et à différents âges. Rev. For. Fr. 41, 1: 39-50.</ref>

Daraus zu schliessen, dass immer so kräftig wie möglich zu durchforsten ist, wäre voreilig interpretiert. Bei zu starker Befreiung mag der Baum irgendwann den freien Raum nicht mehr ausnützen. Abb. 5.18 zeigt, dass die Wirkung einer Durchforstung, gemessen an der Zunahme des Radialzuwachses noch mehrere Jahre nach dem Eingriff deutlich spürbar ist.

Abb5.18.png

Abb. 5.18: Wirkung starker Durchforstung auf den Durchmesserzuwachs. Vergleich des Radialzuwachses in stark durchforstetem und nicht durchforstetem Douglasienbestand (Alter 19 Jahre). <ref>Aussenac, G., Granier, A., 1988: Effects cf thinning on water stress and growth in Douglas-fir. Can. J. For. Res. 18, 1: 100-105.</ref>

Wie lange (im Bestandesalter) die Reaktionsfähigkeit andauert, ist deshalb von Bedeutung, weil wenn auch logischerweise die optimale Reaktion in jüngeren Beständen zur Zeit des maximalen Höhenzuwachses (im Stangenholzstadium) zu erwarten ist, heute nutzungs-ökonomische Faktoren für eine zeitliche Staffelung der Eingriffe sprechen, nämlich zu einem Zeitpunkt, da die Durchforstungsprodukte kostendeckend (oder annähernd) genutzt werden können (sog. kommerzielle oder präkommerzielle Nutzungen).

Die Buche ist z.B. eine Baumart mit anerkannt gutem Reaktionspotential auf Durchforstungseingriffe auch in hohem Alter. Chollet et al. (1998) <ref>Chollet, F., Demarcq, Ph., 1998 : Réaction des hêtraies de montagne aux éclaircies tardives. Rev. For. Fr. 50, 4 : 349-355.</ref> weisen sogar darauf hin, dass die Reaktion auf Durchforstung umso besser ist, als der Bestand zuvor dicht gehalten wurde, und dies bis zu recht hohen Höhenlagen (1400 bis 1500 m.ü.M.). Auch ist der Lichtungszuwachs der Buche schon seit längerer Zeit allgemein anerkannt, weil eine der Standraumreduzierung gegenüber überproportionale flächenbezogene Wuchsreaktion (in Volumen) erfolgt (Freist, 1962, Noisette, 1928) <ref>Noisette, M., 1928 : Etude de peuplements feuillus pendant la période de la régénération. Ann. Ecole Nat. Eaux For. 2, 2 :301-391.</ref> <ref name="Freist">Freist, H., 1962: Untersuchungen über den Lichtungszuwachs der Rotbuche und seine Ausnützung im Forstbetrieb. Beih. Forstwiss. Cbl. 17. 78 S.</ref>. Daraus dürfte aber keine allgemeingültige Regel gemacht werden. Gewisse Baumarten reagieren nur in der Jugend gut. Dies gilt insbesondere für Lichtbaumarten wie Esche, Föhre, Lärche. Bei diesen scheint es wichtig, in genügend frühen Stadien einzugreifen.

Wie die Ergebnisse der Veränderung der Belichtung infolge Eingriffstärke gezeigt haben, erfolgt die grösste Veränderung der Belichtung im unteren Teil der Lichtkrone (siehe Abb. 6.12). Davon kann man ausgehen, dass vorher sozial niedrige bzw. konkurrenzierte Bäume besser auf Eingriffe reagieren als Alleinherrschende. Folgerichtig wird dies bedeuten, dass in situativen Eingriffskonzepten die Eingriffe nach sozialen Klassen zu modulieren sind. Ergebnisse von Freist (1962) <ref name="Freist">Freist, H., 1962: Untersuchungen über den Lichtungszuwachs der Rotbuche und seine Ausnützung im Forstbetrieb. Beih. Forstwiss. Cbl. 17. 78 S.</ref>. in älteren Buchenbestockungen zeigen, dass sozial Tiefere im Durchmesserzuwachs wesentlich mehr reagieren als die schon ohnehin Selbstherrschenden (siehe Abb. 5.19). Je sozial niedriger, desto ausgeprägter ist der Lichtungszuwachs. Solche Ergebnisse unterstützen eine sehr differenzierte, opportunistische Eingriffgestaltung bei der Durchforstungsfrage.

Abb5.19.png

Abb. 5.19: Reaktion von älteren Buchenbeständen auf Lichtungseingriffe. Durchmesserzuwachs vor und nach dem Lichtungseingriff geordnet nach BHD. <ref name="Freist">Freist, H., 1962: Untersuchungen über den Lichtungszuwachs der Rotbuche und seine Ausnützung im Forstbetrieb. Beih. Forstwiss. Cbl. 17. 78 S.</ref>.

Referenzen

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