5.2.1 Geschichtliche Entwicklung der Durchforstung

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Ursprünglich ist man (insbesondere im Deutschland im 19. Jahrhundert) davon ausgegangen, dass obgleich die Durchforstungseingriffe und unabhängig davon, ob diese nun stark oder schwach ausfallen, die Volumenleistung auf den gesamten Produktionszeitraum bezogen (sog. Gesamtwuchsleistung) in etwa gleich bleiben würde. Dieser nur in bestimmtem Rahmen und grober Annährung geltende Grundsatz ist als Gesetz von Eichhorn (1904) bekannt geworden. <ref>Eichhorn, F., 1904: Beziehungen zwischen Bestandeshöhe und Bestandesmasse. Allg. Forstu. J.-Ztg. 80: 45-49.</ref>

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Abb 5.8: Zusammenhang zwischen periodischem Holzzuwachs und der Bestockungsdichte.

Sowohl Produktion wie Bestandesdichte sind hier relativ betrachtet und zwar gegenüber natürlichen (d.h. nicht durchforsteten) Bestockungen. Die [[Bestandesdichte|Bestockungsdichte ist mit der sog. relativen mittleren Grundflächenhaltung dargestellt. D.h. als Mittelwert während der (möglichst langen) Beobachtungszeit der Grundflächenverhältnisse in Prozent.

Er wurde ursprünglich von Tannenbestockungen unter sehr schwacher Durchforstungsstärke hergeleitet. Mitscherlich (1953) <ref>Mitscherlich. G., 1953: Der Eichenbestand mit Buchen- und Tannenunterstand. SchrReihe. Bad. forstl. VersAnst. 9, 1: 3-35.</ref>, am Beispiel der Eiche, und Assmann (1954) <ref>Assmann, E., 1954: Grundflächenhaltung und Zuwachsleistung Bayerischer Fichten-Durchforstungsreihen. Forstw. Cbl. 73, 9/10: 257-271.</ref>, später Schober (1979) <ref>Schober, R., 1979: Massen-, Sorten- und Wertertrag der Fichte bei verschiedener Durchforstung. Teil I. Allg. Forst- u. J.-Ztg. 150, 7-8: 129-152.</ref> am Beispiel der Fichte, hatten als erste aufgezeigt, dass diese Behauptung nicht ganz stimmt, und dass doch zumindest bezüglich der Volumenleistung mit zunehmender Eingriffsstärke es zuerst eine leichte Steigerung der Produktion (um 5 bis 15%) beim Produktivitätsoptimum und dann eine rapide Reduktion gibt (siehe Abb 5.8).

Die Durchforstungsfrage hat den Waldbau zutiefst geprägt. Um die Bedeutung der vielfältigen Varianten und Formen von Durchforstungen zu verstehen, muss man das Ganze in einem historischen Kontext analysieren. Abb. 5.9 versucht eine chronologisch verständliche Systematik der Entwicklungen dieser pflegerischen Waldbaueingriffe darzulegen.

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Abb. 5.9: Geschichtlicher Hergang und Systematik der Entwicklung der Durchforstungsfrage.

Aus historischer Sicht muss man die Entwicklung der Durchforstung im Lichte der folgenden Tendenz der Polarisation zwischen Nieder- und Hochdurchforstung (oder auch dänische und deutsche Durchforstung) interpretieren. Einerseits war die Vorstellung in Deutschland nach dem Eichhorn'schen Gesetz, dass die Maximierung der Gesamtwuchsleistung sich mit maximaler Bestockungsdichte ergibt. Das wurde im wesentlichen für Koniferenwälder Nordeuropas abgeleitet. So hat sich Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland die Durchforstung als sehr schwacher Eingriff entwickelt. Die Entnahme der sozial abgestiegenen Bäume verstand sich bestenfalls als ihre vorzeitige Nutzung bevor sie abgestorben wären. Aus diesem Gedanken her ist die sog. Niederdurchforstung entstanden. Sie beabsichtigt, eigentlich nicht auf den Produktionsprozess Einfluss zu nehmen, sondern sie stellt nur die sinnvolle Gewinnung bzw. Verwendung der sozial absteigende Bäume bevor sie absterben dar.

Parallel dazu und eher für Laubholzbestockungen (etwa Buche) galt in Deutschland die Vorstellung, dass die Produktion in erwachsenen Bestockungen durch starke sog. Lichtwuchseingriffe gefördert werden kann. Daraus entsteht der sog. Lichtwuchsbetrieb, charakterisiert durch kräftige Durchforstungseingriffe. Der Lichtwuchs unterscheidet sich vom sog. Lichtungsbetrieb dadurch, dass letztere Eingriffe im wesentlich die Bestandeserneuerung anstreben unter langen Überlappung der Generationen, und zwar durch sukzessive, meistens schirmartige Verjüngungshieben erzielt. Der Lichtwuchs hingegen soll nur das Durchmesserwachstum der Altgeneration anregen, was zu einem sog. Lichtungszuwachseffekt führt durch Sortimentsprünge. Dies hat zu verschiedenen Durchforstungsvorschlägen geführt, wie der Seebacher Lichtungsbetrieb, Borggreve, sog. Plenterdurchforstung (die weniger mit der Plenterung zu tun hat als mit Zielstärkenutzung durch systematische Nutzung der Herrschenden).

Die sog. Hochdurchforstung entwickelte sich zuerst in Dänemark für Buchen- und Eichenbestände unter Einfluss von Graf Chr. von Reventlow (1801, 1812, 1879) [[Referenz::Reventlow;1801;Reventlow, Chr.D.P., 1801: Einsammlung nützlicher Erfahrung bezüglich der Vegetation und der Erziehung der Bäume und wie diese Erfahrung bei der Bewirtschaftung der Wälder verwendet werden können um den grössten Vorteil aus den Forsten zu Gewinnen. Dän. Gesellsch. Wissenschaft. In: Reventlow, 1934.| ]]<ref>Reventlow, Chr.D.P., 1801: Einsammlung nützlicher Erfahrung bezüglich der Vegetation und der Erziehung der Bäume und wie diese Erfahrung bei der Bewirtschaftung der Wälder verwendet werden können um den grössten Vorteil aus den Forsten zu Gewinnen. Dän. Gesellsch. Wissenschaft. In: Reventlow, 1934.</ref> <ref>Reventlow, Chr.D.P., 1812: Influence de la situation des arbres sur leur végétation In: Perrin 1923.</ref> <ref>Reventlow, Chr.D.P., 1879: Forslag til en Forbedret skovdrift grundet paa undersögelser over traeernes vegetation i Danmark og slesvigs skove. Hauberg, Kobenhavn, 206 S.</ref> nach genauen Analysen der Wirkung von aktiver Durchforstung auf die Jahrringstruktur, die Umtriebszeit und den finanziellen Ertrag. Sie wurde dann von den Franzosen übernommen, im Wesentlichen für die Behandlung von Eichen- und Buchenjungwäldern. Bagnéris und Broillard (1870) <ref>Bagnéris, G., Broillard, Ch., 1870: Etude sur la production et l'emploi du chêne en France. Rev. Eaux For. 9: 193-220; 241-258.</ref> beschreiben diese grundlegend andere Durchforstungsart folgendermassen: "Il est essentiel à tous les âges de dégager la cime du chêne, sans cependant isoler son pied. On ne peut arriver à ce résultat qu'à la condition de faire tomber les hêtres qui dominent ou menacent de dominer les chênes et de conserver au contraire de préférence ceux qui sont dominés".

Eine solche aktive Durchforstungskonzeption wurde nach Ansicht von Perrin (1923, 1954) <ref>Perrin, H., 1923: Le Danemark forestier. Ann. Ecole Nat. Eaux et For. et Stat. Rech. Et Expériences, 1, 1: 1-106.</ref> <ref>Perrin, H., 1954: Sylviculture II: Le traitement des forêts. Théorie et pratique des techniques sylvicoles. Ecole Nat. Eaux For., Nancy, 411 S.</ref> für Frankreich zuerst von Boppe formuliert. Broillard, (1901) <ref>Broillard, Ch., 1901: Des résultats de l'éclaircie. Rev. Eaux For. 40: 1-10.</ref> hebt mit Recht hervor, dass diese grundlegend andere Durchforstungskonzeption (siehe Abb. 5.10) versucht, auf die Produktion bzw. Mischung aktiv Einfluss zu nehmen. Sie leitet sich von den unterschiedlichen Eigenschaften der Kronen zwischen Nadelbäumen und Laubbäumen und ihrer Reaktion auf Befreiungseingriffe logisch ab. Er formuliert dies folgendermassen: [Chez les feuillus ]"il est plus facile de desserrer sans interrompre le massif que d'éclaircir des conifères sans les isoler; les cimes de ces derniers restant pyramidale, étroites et aigues ne s'élargissent que lentement et ne s'étalent jamais". Die Hochdurchforstung wurde um 1890 von Schwappach in Deutschland eingeführt, der sie in Frankreich kennen gelernt hatte (Wenk et al., 1990) <ref name="Wenk et al.">Wenk, G., Antanaitis, V., Smelko, S., 1990: Waldertragslehre. Deutsch. Landwirtschaftsverlag, Berlin, 448 S.</ref>. Sie hat sich aber erst nach den 1970er Jahren durchgesetzt, unter Einfluss von Abetz (1975, 1976) <ref>Abetz, P., 1975: Ende oder Wende der Durchforstung? Allg. ForstZ. 30: 653.</ref> <ref>Abetz, P., 1976: Reaktion auf Standraumerweiterungen und Folgeerscheinungen für die Auslesedurchforstung bei Fichte. Allg. Forst. u. J. Ztg. 147: 72-75.</ref>.

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Abb. 5.10: Die zwei historischen Urformen der Durchforstungseingriffe: Die Hoch- und Niederdurchforstung

Die Niederdurchforstung entnimmt, je nach Eingriffsgrad, eine verschiedene Anzahl von Bäumen, wobei bei den sozial schwächsten Elementen einer Bestockung begonnen wird. So werden bei der Niederdurchforstung also zuerst die unterdrückten und beherrschten Individuen entfernt. Ursprünglich war die Niederdurchforstung durch schwache Eingriffe gekennzeichnet. Später, als man doch den günstigen Einfluss der Kronenbefreiung auf den Durchmesserzuwachs erkannte, insbesondere bei [[hatHolzart::Laubholz|Laubbaumarten], wurden unterschiedliche Grade der Niederdurchforstung entwickelt (siehe Tabelle 5.11).

Tabelle5.11.png

Tabelle 5.11: Die unterschiedlichen Durchforstungsarten gemäss internationaler Normen (IUFRO) für DurchforstungsversucheWenk et al. 1990 <ref name="Wenk et al.">Wenk, G., Antanaitis, V., Smelko, S., 1990: Waldertragslehre. Deutsch. Landwirtschaftsverlag, Berlin, 448 S.</ref>

Im Gegensatz zur Niederdurchforstung entfernt die Hochdurchforstung hauptsächlich Konkurrenzbäume, welche der oberen Kronenschicht angehören. Das heisst aber nicht, dass dies systematisch erfolgt, sondern nur zugunsten von ausgewählten förderungswürdigen Bäumen. Dies bezweckt einen optimalen Wirkungsgrad auf die Entwicklung ihrer Kronen. Weil diese Durchforstungsart insbesondere für die Eichenwirtschaft abgeleitet wurde, ist es auch logisch, dass man die sozial unteren Elemente der Bestockung sorgfältig behält als Stammschutz. Die sozial niedrigeren Bäume werden im Bestand belassen, und auf diese Weise bilden sie einen Nebenbestand.


Die Durchforstung als Veredlungsmassnahme

Eine deutliche Wende in der Durchforstungsfrage bringt Schädelin (1926, 1934) <ref name="Schädelin">Schädelin, W., 1926: Bestandeserziehung. Schweiz. Z. Forstwes. 77, 1: 1-15, 33-44.</ref> <ref>Schädelin, W., 1934: Die Durchforstung als Auslese- und Veredlungsbetrieb höchster Wertleistung. Haupt, Bern & Leipzig, 96 S.</ref> mit der Formulierung der Prinzipien der pflegerischen Waldbehandlung. Die Durchforstung versteht sich im funktionellen Kontext des ganzen organischen Gebildes der Bestandeserziehung. Sie wird zur klaren Steuerung der Waldentwicklung eingesetzt, mit dem Ziel der Erreichung grösstmöglicher Wertschöpfung. Schädelin unterscheidet zwei Phasen in der Bestandespflege, bzw. zwei Durchforstungsarten: die Phase, wo die Auslese im Vordergrund steht, in jüngeren Bestockungen (etwa Stangenholz bis schwaches Baumholz) und die Phase der Veredlung durch Wuchsoptimierung. Für die erste entwickelt er die Auslesedurchforstung, für die zweite eine Lichtwuchsdurchforstung. Schädelin hat seine Überlegungen am Fallbeispiel der Buche abgeleitet, was ihm ab und zu (zu unrecht) vorgeworfen wurde. In Wirklichkeit verstand er die aufgestellten Pflegeprinzipien als allgemein gültig. Nach Schädelin erfolgt die Auslese in sukzessiven Schritten. Die Anzahl ausgewählter Wertträger (die Auslesebäume) sind am Anfang des Ausleseprozesses in grösserer Zahl als am Schluss notwendig, um das Problem der Reaktion der Bäume auf die Befreiungseingriffe sowie des Ausscheidens von Auslesebäumen zu berücksichtigen. Wenn einmal die Auslese fertig ist, folgt die Lichtwuchsdurchforstung, die sich im wesentlichen um die Fortführung des Prozesses durch Standraumregulierung um die Auslesebäume konzentriert, um damit eine optimale Wuchsförderung zu erreichen.

Ziel der Auslesedurchforstung ist es, die Auslesebäume so wirksam wie möglich vom Wettbewerbsdruck der direkten Nachbarsbäume (den Konkurrenten) zu befreien. In diesem Sinne ist es klar, dass die Auslesedurchforstung im Sinne der Hochdurchforstung einzustufen ist. Allerdings wie Schädelin (1926) <ref name="Schädelin">Schädelin, W., 1926: Bestandeserziehung. Schweiz. Z. Forstwes. 77, 1: 1-15, 33-44.</ref> so treffend formuliert, gilt dies nur für den Zweck der Hochdurchforstung und nicht in der Methode. Es ist ziemlich naheliegend, dass eine solcheAuslesedurchforstung in erster Linie darauf ausgerichtet sein muss, die produktivsten Kronenbereiche, und damit die Lichtkrone der Wertträger möglichst effizient vom Konkurrenzdruck zu befreien. Bei der Lichtwuchsdurchforstung geht die Durchforstung eher tendenziell in der sozialen Auswirkung zurück in Richtung der Niederdurchforstung. Dabei kommt es darauf an, wie stark (und oft) die Auslesebäume in früheren sukzessiven Auslesedurchforstungen bis dann ausgeschaffen wurden. Und hier gilt auch die Regel, dass die Wirkungseffizienz in Bezug auf das Ziel (Regelung des Wachstumsgangs) massgebend ist.

Mit seiner Z-Baum-Auslesedurchforstung ging Abetz (1975, 1976) <ref>Abetz, P., 1975: Ende oder Wende der Durchforstung? Allg. ForstZ. 30: 653.</ref> <ref>Abetz, P., 1976: Reaktion auf Standraumerweiterungen und Folgeerscheinungen für die Auslesedurchforstung bei Fichte. Allg. Forst. u. J. Ztg. 147: 72-75.</ref> aus der Vorstellung des Schädelin'schen Konzeptes, den er übrigens als junger Praktikant im Lehr- und Forschungswald der ETH kennen gelernt hatte, hervor. Gegenüber dem Vorschlag von Schädelin ist hier im wesentlichen nur die Anzahl der Wertträger (die sog. Ziel-Bäume oder Z-Bäume) anders, indem die Z-Baum-Auslesedurchforstung von Beginn an nur die Bäume als Zukunfts- und Wertträger betrachtet, welche anzahlmässig der Endbestockung entsprechen (sog. Endstammzahlen). Dies erlaubt eine gezieltere und kostengünstige Ausrichtung der Eingriffe, insbesondere in nicht kostendeckenden Dimensionen. Im Konzept von Abetz gibt es keine Lichtwuchsdurchforstung, sondern eine Folge von Auslesedurchforstung, welche am Anfang bezüglich soziale Wirkung den Charakter der Hochdurchforstung und nach einigen Eingriffen der Niederdurchforstung haben. In der Regel soll ab der Lebenshälfte eine Schlagruhe einsetzen. Diese Sicht hat sich in Zusammenhang mit der negativen Folgewirkung der Nutzungen zumindest für Fichtenbestände durchgesetzt, weil die Entwicklung von Kernfäulen, insbesondere ältere Bestockungen besonders befallen.


Die situative Auslesedurchforstung

Der letzte Schritt in Vollendung der Auslesedurchforstung erfolgt dadurch, dass nur Bäume mit wirklichem Wertschöpfungspotential zur Förderung kommen, auch wenn sie weniger als die Endstammzahl einer vollen Bestockung ausmachen (Schütz, 1999, 2000) <ref>Schütz, J.-Ph., 1999 : Erfassung der situativen Konkurrenz in gleichförmigen Fichtenbestockungen aufgrund physiologisch orientiertem Positionsparameter. In: Tagungsber. Jahrestagung Deutsch. Verband forstl. ForschAnst. Sektion Ertragskunde, 17.-19.Mai 1999 in Volpriehausen 70-78.</ref> <ref name="Schütz">Schütz, J.-Ph. 2000: Kosteneffiziente Waldpflege. Wald und Holz 11/2000: 47-50 und 12/2000: 23-25.</ref>. Die übrigen üben z.T. völlig andere Funktionen aus, z.B. ökologische und ästhetische. Immerhin gilt es, prinzipiell bei sog. situativen Auslesedurchforstungen, dass die Förderungsmassnahmen sich nicht auf den Bestand als ganzer richten, sondern auf bestimmte Einzelbäume.

Die Kunst effizienter Waldpflege beruht heute auf einem Kompromiss zwischen Selbstentwicklung (Naturautomation) und der Notwendigkeit, rechtzeitig und im richtigen Ausmass in den Prozess einzugreifen. Das Konzentrationsprinzip führt zur Ausrichtung der Massnahmen auf eine möglichst knappe Anzahl von Zukunftsbäumen. Die Verbindung beider Prinzipien (Naturautomation und Konzentration) führt logischerweise zu sog. situativen Eingriffen. D.h. es werden bezüglich wertschöpfender Massnahmen nur die Z-Bäume betrachtet bzw. nur bei denjenigen eingegriffen, die es benötigen, und zwar differenziert je nach ihrem eigenen Entwicklungspotential.

Situativ, bezogen auf die Pflegeeingriffe, versteht sich sowohl bezüglich Position (Situation) der Z-Bäume (nur die besten) in der Bestockung als bezüglich ihrem Entwicklungspotential (nur soviel Entnahmen wie notwendig). Leitmotiv ist die Konzentration auf das Wesentliche. Bei zeitgemässen situativen Auslesedurchforstungskonzepten ist die Fragestellung sowohl "Was soll belassen werden bzw. was erledigt die Natur selbst?", als auch "Was ist zu entnehmen?" Dies basiert auf der Erkenntnis, dass es in jeder Bestockung eine gewisse Anzahl von supervitalen und selbstherrschenden Bäumen gibt, die keine oder nur eine leichte Kronenraumbefreiung benötigen. Daneben gibt es solche, welche trotz genügender sozialer Position mehr Hilfe durch Kronenraumbefreiung brauchen (siehe Abb. 5.12).

Die Auslesedurchforstung hat sich weitestgehend in West- und Zentraleuropa durchgesetzt, auch in Regionen, die früher eher Anhänger der Niederdurchforstungen waren, wie z.B. in Deutschland. Hier fand das Umdenken ab Ende der 70er Jahre und insbesondere dank der aktiven Vorreiterrolle von Peter Abetz statt. Weil beim Abetz'schen Konzept bei der praktischen Umsetzung Gefahr besteht, dass der vorgeschriebene Endabstand zwischen den Z-Bäumen zu peinlich genau verfolgt wird und dabei Auslesekriterien ungenügend Gewicht gibt, wurde die sog. Gruppendurchforstung von Busse (1935) <ref>Busse, J., 1935: Gruppendurchforstung. Forstl. Wochenschr. Silva 23: 145-157.</ref>, Kato (1973) <ref>Kato, F., 1973: Begründung der qualitativen Gruppendurchforstung. Habil. Schrift. Univ. Göttingen. 132 S.</ref>, Kato et al. (1988) <ref>Kato, F., Mülder, D., 1988: Qualitative Gruppendurchforstung der Buche: Wertentwicklung nach 20 Jahren. Allg. Forst. u. J.Ztg. 159: 51-56.</ref>, Mülder (1996) <ref>Mülder, D., 1996: Merkblatt zur Gruppendurchforstung. Wilhelm-Münker Stiftung, Siegen. 8 S.</ref> vorgeschlagen. Sie gibt der Qualität den Vorrang und betrachtet den Respekt vorgeschriebener Distanzen zwischen den Wertträgern als völlig subsidiär, ja sogar überflüssig.

Abb5.12.png

Abb 5.12: Konkurrenzgrad der entnommenen Konkurrenten in einer Bestockung. Die bezüglich sozialer Position Besten (Vitalsten und auch Stärksten) bedürfen für eine gute Entwicklung weniger Kronenbefreiung als die knapp Herrschenden oder die Mitherrschenden.

Unter dem Grad der Konkurrenz (auf der Ordinatenachse) versteht man die Anzahl entnommener Konkurrenten (gewichtet mit ihrer Kreisfläche) im Verhältnis zur Kreisfläche des Auslesebaumes. Ein Konkurrenzgrad von 1,0 bedeutet, dass ein mindestens so dicker Konkurrent wie der Auslesebaum eliminiert wird (oder zwei weniger dicke). Fi/Ta starkes Starkes Stangenholz Hirschthal (Alter 39, Do 27 cm). Nach Schütz (2000) <ref name="Schütz">Schütz, J.-Ph. 2000: Kosteneffiziente Waldpflege. Wald und Holz 11/2000: 47-50 und 12/2000: 23-25.</ref>


Spezielle Formen der Durchforstungen

Von der Niederdurchforstungsidee lassen sich verschiedene Formen der Entnahmen von Durchforstungen, welche neutral wirken bezüglich sozialer Wirkung, ableiten. Es geht um eine Reihe von systematischen Durchforstungen mit unterschiedlichem Entnahmemuster. Sie verstehen sich heute meistens als Vorstufe zu weiteren Ausleseeingriffen in stammzahlmässig sehr dichten Jungbestockungen, oder für maschinelle Nutzungen.

Von der Hochdurchforstung lassen sich vikariierende Eingriffsformen im Sinne systematischer sozialer Entnahmen ableiten. Das ist mit der Borggreve-Durchforstung (verwirrenderweise auch Plenterdurchforstung benannt) der Fall, die prinzipiell die sozial herrschenden Elemente entnimmt, damit angeblich die Mitherrschenden und Niedrigeren profitieren können. Ähnlich geht es mit der Zielstärken-Nutzung (Reininger, 1987) <ref name="Reininger">Reininger, H., 1987: Zielstärken-Nutzung oder die Plenterung des Altersklassenwaldes. Österreichisch. Agrarverlag, Wien, 163 S.</ref>. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass sowohl die Borggreve-Durchforstung (Schober, 1980) <ref>Schober, R., 1980: Massen-, Sorten- und Wertertrag der Fichte bei verschiedener Durchforstung. Teil II. Allg. Forst- u. J.-Ztg. 151, 1: 1-21.</ref> wie auch Zielstärke-Nutzung (Spellmann, 1997; Knoke, 1998) <ref>Spellmann, H., 1997: Ertragsentwicklung im "LÖWE"-Wald der Niedersächsischen Landesforstverwaltung. Forst u. Holz 52: 711-718.</ref> <ref>Knoke, T., 1998: Die Stabilisierung junger Fichtenbestände durch starke Durchforstungseingriffe: Versuch einer ökonomischen Bewertung. Forstarchiv 69: 219-226.</ref> zu Produktivitätsverlusten in Volumen und Wert führen.

Mit dem Begriff Plenterdurchforstung verstehen wir seit Biolley (1901) <ref>Biolley, B., l901: Le jardinage cultural. J. for. suisse 52, 6: 97-104 + 7/8: 113-131.</ref> eine Eingriffsform, welche für die Überführung von noch nicht im idealen Plenterzustand sich befindlichen Bestockungen gilt (siehe dazu Skript der Plenterwald). Ähnlich geht es mit sog. Strukturdurchforstungen (Reininger, 1987; Goltz, 1991) <ref name="Reininger">Reininger, H., 1987: Zielstärken-Nutzung oder die Plenterung des Altersklassenwaldes. Österreichisch. Agrarverlag, Wien, 163 S.</ref>. <ref>Goltz, H. v.d., 1991: Strukturdurchforstung der Fichte: Ein Weg zu stufigen Bestandesaufbau. Allg. ForstZ. 46: 677-679.</ref>.

Referenzen

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