4.2.2 Betriebssicherheit

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Die Betrachtung der Ausfallrisiken ist ein wichtiger produktionsbestimmender Faktor. Ausfälle von Z-Bäumen, wenn einmal die Auslese getroffen ist, führen auch zu Produktionsverlusten. Es gilt insbesondere, wenn mit zunehmender Statur der Bäume es keinen Platz für allfällige Ersatzbäume (Reservisten) mehr gibt. Darüber hinaus führen flächige Ausfälle infolge von Windstürmen, wie sie z.B. Anfang 1990 (Sturm Viviane) bzw. um Weihnachten 1999 vorkamen (Sturm Lothar), zu verheerenden wirtschaftlichen Einbussen, umso mehr als sie noch nich hiebsreife Bestockungen treffen.

Hauptgründe für solche unerwünschten Ausfälle sind:

Die Berücksichtigung der Stabilität der Bestände und die Art und Weise, wie man sie durch angemessene Massnahmen beeinflussen kann, ist konzeptbestimmend. Bei den besonders empfindlichen Koniferen steht die Förderung der Stabilität, neben der Bildung von astfreiem Holz als wahrscheinlich wichtigstes Ziel im Vordergrund. Eine gute Bestandesstabilität ist aber ebenfalls auch bei der späteren Einleitung der Verjüngung ein wichtiger Faktor.


Stabilität als Ressource

Selbstverständlich hat die Bestandesstabilität in Wäldern mit einer vorrangigen Schutzfunktion evidente Bedeutung. So darf die Stabilität in einer solchen Situation als eigene Ressource bezeichnet werden. In solchen Fällen sind die Kriterien der Stabilität wichtiger als jene der Holzeigenschaften. Diese Schutzwälder befinden sich hauptsächlich im Gebirge, und damit meist auch in der natürlichen Zone der Nadelwälder. Für solche Verhältnisse ist gerade der Plenterwald eine ideale Bestandesform und damit auch, wo überall möglich, ein generell langfristig anzustrebendes Ziel. Dies ist umsomehr begründet, als die Plenterform in idealer Weise eine optimale Verbindung der Schutzleistungen mit Qualitätsholzproduktion sowie der meisten anderen Leistungen aus dem Walde gewährt. Sehr oft ist aber die Struktur dieser Berg- und Gebirgswälder, namentlich bei reinen Fichtenformationen, weit von derjenigen eines Plenterwaldes entfernt, weil sich in den meisten Fällen sehr gleichförmige Strukturen bilden, ausser in der subalpinen Stufe. So neigen sie in den Altersphasen zu grossflächigen Zusammenbrüchen (Korpel, 1982, 1995) <ref>Korpel, S., 1982: Degree of equilibrium and dynamical changes of the forest on example of natural forests of Slovakia. Acta. Fac. forest. Zvolen, 24: 9-31.</ref><ref>Korpel, S., 1995: Die Urwälder der Westkarpaten. G. Fischer, Stuttgart, 310 S.</ref>. Das Problem der Stabilität in den gleichförmigen Wäldern verdient also die volle Aufmerksamkeit.


Ausmass der zufälligen Ausfälle

Nicht nur bei Schutzwäldern gehören die Risiken zu wichtigen Produktionsfaktoren. Wie eine Statistik für Süddeutschland zeigt (Tab. 4.3), bilden die unvorhergesehenen Nutzungen oder sog. Zwangsnutzungen einen nicht unbedeutenden Anteil, welcher geschätzt etwa ein Viertel des Hiebsatzes beträgt. In den Bergregionen mit erhöhten Risiken (namentlich in den Föhntälern) kann dieser Anteil 50 % oder sogar deutlich mehr betragen. In solchen Fällen bleibt dem Waldbauer nicht mehr viel Handlungsfreiheit. Angegeben sind in der Tabelle 4.3 die Anteile der Zwangsnutzungen im Verhältnis zum vorgesehenen periodischen Holzeinschlag (sog. Hiebsatz). Die Werte sind Mittelwerte, bezogen auf eine Dauer von 30 Jahren. In Jahren mit schweren Katastrophen kann das Ausmass der Zwangsnutzungen ein Mehrfaches des normalen Hiebsatzes betragen. Nach dem Windsturm Lothar (26. Dezember 1999) wurde in der Schweiz 2 % des Waldfläche, bzw. 3 % des stehenden Holzvolumens betroffen. Das entspricht in etwa 2 bis 3 mal dem normalen Hiebsatz. Lokal lagen bei besonders stark betroffenen Forstbetrieben das 10- bis 25-fache der normalen Jahresnutzung am Boden.

Tabelle4.3.png

Tabelle 4.3 : Ursachen der Zwangsnutzungen in süddeutschen Staatswäldern Gilt für Staatswälder Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern)<ref>Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref>

Die Zwangsnutzungen stellen für die Forstbetriebe in mehrfacher Hinsicht Nachteile dar. Einerseits sind das direkte Verluste des liegenden und stehenden Holzes bzw. Verluste für die vorzeitigen Nutzungen. Auch sind Verluste wegen der erschwerten Ernte miteinzurechnen. Die Erntekosten von Zwangsnutzungen sind oft doppelt so hoch wie diejenigen von normalen Nutzungen. Gründe dafür sind z.B. die Verteilung der Bäume oder allgemein der zerstreute Anfall der Zwangsnutzungen sowie die Verschachtelung der einzelnen Bäume.

Mässige Stürme führen zu Streuschäden. Sie führen dann nur zu einigermassen noch tragbaren Einzelverlusten. Unter Umständen ist ihre Wirkung nicht einmal als negativ zu bewerten, wenn sie zu Auflockerung der Bestockung führt, und so ähnlich wie eine Durchforstung eine gewisse Strukturierung im Kronenraum erzeugt, allerdings ist die Wirkung im Gegensatz zur Durchforstung neutral, d.h. ohne den Vorteil der Auslese.

Bei Überschreitung einer kritischen Grenze kann die Bestockung derart aufgelöst sein, dass ihre Stabilität mittelfristig nicht mehr gewährleistet ist. Bei noch stärkeren Schäden (in der Regel bei heftigen Stürmen) entstehen Lücken unterschiedlicher Grösse, welche später Angriffspunkte für Wirbelbildung von Folgestürmen bilden können und somit zu einer Prädisposition für Sekundärschäden, ja sogar zu einer Labilisierung führen. So zeigen Quine und Bell (1998) für besonders häufig von heftigen Stürmen heimgesuchte Regionen in Europa (Schottland), dass Stürme (mit Windgeschwindigkeiten von zw. 30 und 60 m s-1; d.h. zw. 108 und 216 st km-1) in der Regel zur Bildung von mittleren Bestandeslöchern (10 bis 30 Aren) führen (siehe Abb. 4.4). Grosse Flächen entstehen auch, aber seltener.

Abb4.4.png

Abb. 4.4: Verteilung der infolge starker Windstürme entstandenen Lochgrössen<ref>Quine, C.P., Bell, P.D., 1998: Monitoring of windthrow occurrence and progression in spruce forests in Britain. Forestry 71, 2: 87-97.</ref>

Gilt für 8 sturmexponierte Standorte in Grossbritanien und Sturmereignisse mit Windgeschwindigkeit en von zw. 30 und 60 ms-1


Wirkunsweise von Schnee und Stürmen

Grundsätzlich bestehen zwischen den zwei Schadengefahren Stürme oder schwerer Schnee in der Ursache und Wirkung relevante Unterschiede, nämlich:

Schneeschäden
  • wirken durch vertikale statische Kräfte. Bäume sind durchBiegungskräfte (ev. Knickung) beansprucht (siehe Abb. 4.5). Die Schlankheit der Stämme (sog. h:d Quotient) gilt als wichtiger Indikator der Empfindlichkeit.
  • betreffen Jungbestockungen in der Phase des höchsten Höhenwuchs (Stangenholzphase).
  • Es gibt klare prädisponierende Faktoren: Baumarten, Höhenlagen, Exposition.
  • So sind Schäden prognostizierbar, bzw. durch vorbeugende Pflege kontrollierbar.

Nassschneeereignisse ziehen vor allem Bestände aus Nadelbäumen in Mitleidenschaft. Besonders anfällig sind Bestände der Waldföhre, deren buschförmige Nadeln einen grossen Anteil des Schnees zurückhalten, sowie Fichtenbestände. Die gefährdete Höhenzone besteht im Bereich, wo Nassschneefälle am häufigsten leicht unter den Gefrierpunkt fallen. Solange die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt steigt, gibt es keine Entladung der interzipierten Schneemasse (Stadler et al., 1998) <ref>Stadler, D., Bründl, M., Schneebeli, M., Meyer-Grass, M., Flühler, H., 1998: Hydrologische Prozesse im subalpinen Wald im Winter.</ref>. Der grösste Gefährdungsbereich ist in den Regionen nördlich der Alpen um 500 und 700 m ü. M.. In diesen Höhenbereichen kann der mit Wasser gesättigte Schnee, der ein spezifisch hohes Gewicht aufweist, das dreimal so hoch ist wie dasjenige von trockenem, kaltem und leichtem Schnee, schwerwiegende Schädigungen verursachen.

Abb4.5.png

Abb. 4.5: Unterschiede in der Belastung zwischen Schneedruck und Windstürmen nach Marsch (1989) <ref>Marsch, M., 1989: Stabilisierung von Fichtenbeständen gegenüber Schnee und Sturm durch Dichteregulierung in der Jugend. In: Proceedings IUFRO Symposium: Treatment of young forest stands, Techn. Univ. Dresden: 96-119.</ref>

Sturmschäden
  • wirken durch seitliche Kräfte mit hoher dynamischer Beanspruchung. Unter pulsierenden Windstössen (Böen) schwingen die Bäume in kurzen intermittierenden Perioden von einigen Sekunden;
  • Ältere Bestände aus wintergrünen Nadelhölzern sind betroffen, weil die Windstärke über dem Walddach von oben abnimmt und auch die Wirkung (Biegemoment) mit der Baumhöhe und Kronendichte zunimmt;
  • Die Stabilität beruht auf unterschiedlichen Komponenten: mechanische Festigkeit des Stammes (Bruch) und Verankerung (Wurf);
  • weniger der h:d Quotient ist als Indikator massgebend, sondern der Gesundheitszustand des Wurzelsystems, die Bodeneigenschaften und die Rauhigkeit des Waldgefüges ;
  • die lokale Wirkung der Stürme ist sehr zufällig und also kaum voraussehbar.


Schadenbilder und Empfindlichkeiten

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Schnee

Mechanisch betrachtet führt die Schneebelastung dazu, dass der Baum durch Beugung seitlich nachgibt, wodurch im Stamm entsprechende Zug- und Druckkräfte entstehen. Die Schneelasten verursachen mechanisch betrachtet nicht das Knicken, sondern Biegungsbeanspruchungen (Rottmann, 1985) <ref name="Rottmann">Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref> Je nach Schadensereignis entstehen Kronenbrüche oder Stammbrüche. Die Basis der Baumkrone ist ebenfalls eine bevorzugte Bruchstelle. Statistisch gesehen stellt man vor allem Brüche an der Kronenbasis, andererseits aber auch Brüche im untersten Viertel oder im untersten Drittel des Stammes (Rottmann, 1985) <ref name="Rottmann">Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref> fest. Letztere Schäden weisen die schwerwiegendsten Folgen auf, weil die betroffenen Bäume logischerweise nicht überleben, im Gegenteil zu Kronenbrüchen, bei welchen die Bäume oft überleben, wenn ein genügend grosser Anteil der belaubten bzw. benadelten Krone bestehen bleibt.

Die Empfindlichkeit gegenüber Schäden hängt einerseits von den statischen Eigenschaften der einzelnen Bäume ab, also von der Stammform, andererseits ist entscheidend, wie weit das kollektive Gefüge ein seitliches Schwanken der Einzelglieder zulässt. Von der Last- und Kräfteverteilung her gesehen ist die Anfälligkeit auf Brüche abhängig von der Höhe des Kronenansatzes und der Kronenlänge, da durch diese zwei Grössen der Schwerpunkt der Last massgeblich bestimmt wird (siehe Abb. 4.6). Je kürzer eine Krone ist und je höher ab Boden ihrAnsatzpunkt liegt, desto wichtiger wird das Biegemoment, womit das Bruchrisiko ansteigt.

Abb4.6.png

Abb. 4.6: Beanspruchung der Bäume durch die Schneelast.

Rottmann hat durch seine systematischen Aufnahmen von Schneebruchschäden im Lehrwald der forstlichen Fakultät der Universität München gezeigt, dass eine enge Abhängigkeit zwischen den Schäden und dem mittleren Schlankheitsgrad (oder das Verhältnis h/d) eines Bestandes besteht (siehe dazu Abb. 4.7).

Abb4.7.png

Abb. 4.7: Schneedruckschäden und Schlankheitsgrad im Lehrwald von Landshut der forstlichen Fakultät München. <ref name="Rottmann">Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref>

Die Schäden steigen merklich an, wenn der mittlere Schlankheitsgrad einen Wert von 85 übersteigt, und sie nehmen leicht ein kritisches Ausmass an, wenn die Grenze von 100 überschritten wird. Auch innerhalb eines Bestandes werden die Überschlanken mehr betroffen als die herrschenden, wie dies die Beobachtung der Schneedruckschäden von Merkel (1975) <ref name="Merkel">Merkel, O., 1975: Schneebruch im Fichtenbestand bei 40jähriger Auslesedurchforstung. Allg. ForstZ. 30: 663-665.</ref> in einem 48-jährigen Fichtenbestand in Baden-Württemberg zeigen (Abb. 4.8). Bei winterkahlen Laubhölzern liegt die kritische Grenze bei wesentlich höheren h/d-Werten, nämlich bei h/d von 140 für die Buche (nach Kodrik, 1991) <ref>Kodrik, J., 1991: Einfluss der bestandesbildenden Kennziffern auf die Intensität der Beschädigung von Buchenbeständen durch Schnee. In: 3. IUFRO Buchensymposium. S. Korpel & L. Paule (Eds), Hochschule für Forstwirtschaft und Holztechnologie, Zvolen:326-330.</ref>.

Abb4.8.png

Abb. 4.8: Zusammenhang zwischen Schlankheitsgrad und Schneedruckschäden in einem 48-jährigen Fichtenbestand; Fläche Kandern Baden-Württemberg <ref name="Merkel">Merkel, O., 1975: Schneebruch im Fichtenbestand bei 40jähriger Auslesedurchforstung. Allg. ForstZ. 30: 663-665.</ref>

Im Bestandesalter des Stangenholzes ist die Phase mit der höchsten Anfälligkeit gegenüber Schneeschäden, weil sie auch diejenige mit der grössten Zunahme des [[Wettbewerb|Wettbewerbes], d.h die Phase des stärksten Höhenwachstums ist.

In der Tat zeigen die Beobachtungen von Rottmann für die empfindlichen Baumarten (Fi, ) ein Maximum an Schäden in den Stangenhölzern mit gleichförmiger, homogener Struktur und Bestandesalter zwischen 20 und 50 Jahren (Tab. 4.9). Dabei treten solche Schäden in jungen Bestockungen zuerst konzentriert, d.h. in flächiger Form auf. Mit zunehmender Bestandesentwicklung dagegen werden die Schäden eher zerstreuter.

Tabelle4.9.png

Tabelle 4.9: Empfindlichkeit der Baumarten gegenüber Schneeschäden

Von Schneeschäden besonders betroffen sind also vor allem Stangenhölzer, wo auch vor allem Stammbrüche vorkommen. Mit zunehmendem Bestandesalter verschieben sich die bevorzugten Bruchstellen nach oben, d.h. in den Bereich der Baumkronen, was vermehrt zu Beschädigungen innerhalb der Kronen führt. Eine solche Verschiebung der Schäden vom unteren Stamm- in der Kronenbereich zeigt sich ebenfalls als Ergebnis der Erhöhung der Durchforstungsstärke. Die Faktoren, welche die Anfälligkeit eines Baumes bzw. eines Bestandes gegenüber Schneeschäden bestimmen, sind neben der Baumart und der Höhe über Meer auch die Bestandesdichte und das Bestandesalter, der Schlankheitsgrad, die Kronenlänge, die Unregelmässigkeit der Kronenform, die Länge der Internodien (Stammabschnitt zwischen Astquirlen) in der Krone (Möhring, 1981) [[Referenz:Möhring;1981;Möhring, B., 1981: Ueber den Zusammenhang zwischen Kronenform und Schneebruchanfälligkeit bei der Fichte. Forstarchiv 52, 4: 130-134.| ]]<ref>Möhring, B., 1981: Ueber den Zusammenhang zwischen Kronenform und Schneebruchanfälligkeit bei der Fichte. Forstarchiv 52, 4: 130-134.</ref> und eventuell genetische Faktoren, ferner die topographische Lage und letztendlich die Exposition eines Bestandes.


Stürme

Nach Oehler (1967) resultieren bereits ab Windgeschwindigkeiten um 17 ms-1 (62 kmh-1) zerstreute Schäden im Wald. Bei Windgeschwindigkeiten ab 30 ms-1 (108 kmh-1) entstehen flächige Schäden, mit lokaler Auflösung in kleinen Löchern unterschiedlicher Ausdehnung von meistens zwischen 7 und 10 Aren (Quine und Bell, 1988) <ref>Quine, C.P., Bell, P.D., 1998: Monitoring of windthrow occurrence and progression in spruce forests in Britain. Forestry 71, 2: 87-97.</ref>. Bei sehr starken Stürmen oder sogar Orkanen können grossflächige Schäden entstehen, sehr oft sind die Schäden auf lange Streifen(Windgassen) konzentriert.

Es lassen sich folgende Schäden unterscheiden (siehe Abb. 4.10):

  • Brüche
    • Stammbruch (Höhe 2-10 m)
    • tockbruch
  • Wurf
    • Wurzelbruch (Wurzelteller am Stammfuss als Scharnier)
    • mit dem ganzen Wurzelteller
  • Torsion

Abb4.10.png

Abb. 4.10: Art der Sturmschäden.

Im Grossen und Ganzen werden die Bäume nach heftigen Stürmen sowohl gebrochen als auch geworfen. Empfindliche Koniferen (z.B. Fichte) werden eher gebrochen. Winterkahle Laubhölzer werden tendenziell eher geworfen. Bodeneigenschaften und –zustand (z.B. Wassersättigung) spielen hier eine entscheidende Rolle. Primär sind die höchsten Bäume betroffen, weil die Windgeschwindigkeit gegen den Boden zu stark abnimmt und wegen dem grössten Drehmomentbzw. Schwingungsamplitude.

Es scheint, dass die Kräfte (bzw. das Drehmoment), welche zu Bruch oder zu Wurf führen, ähnlich gross sind (Worrell, 1981; in: Dunham und Cameron, 2000). So dürften kleine Materialschwächen im Fall des Bruches sowie der Querschnitt und Winkel der Hauptwurzeln bzw. ihr Gesundheitszustand sowie die Tiefe der Wurzelballe im Fall des Wurfes für die Schadenart schlussendlich entscheidend sein .

Bei Stammbrüchen variiert die Höhe des Bruches zwischen 2 – 8 m, obwohl der Biegemoment an der Stammbasis maximal wäre. Betrachtet man das Schwingen der Bäume, würde man die Bruchstelle bei 0,5 m der Schaftlänge erwarten, weil dort beim 1. harmonischen Knotenpunkt/ die grösste Stammdeflexion stattfindet (Fournier et al. 1993; Eutener, 1970) <ref>Fournier, M., Rogier, P, Costes, E., Jaeger, M., 1993 : Modélisation mécanique des vibrations propres d’un arbre soumis aux vents, en fonction de sa morphologie. Ann. Sci. For. 50 : 401-412.</ref><ref>Eutener, G.A., 1970: Aerodynamische Beobachtungen im Pforzheimer Wirbelsturm vom 10. Juli 1968. Arch. Meteo. Geoph. Biokl., Serie A, 19: 355-371.</ref>. Schlussendlich scheinen Unterschiede im Holzmaterial wie Äste, Buchs (Dunham und Cameron, 2000) oder breite Jahrringe eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen.

Torsionsschäden(eher selten) können entstehen, wenn Bäume während dem Bruch durch/ rotierende Kräfte beeinflusst sind. Dies kann geschehen, wenn die Krone asymmetrisch ist oder wenn der Baum durch Nachbarn einseitig eingeklemmt wird.


Prädisposition vs. Empfindlichkeiten

Wintergrüne Nadelbäume sind in der Regel wesentlich empfindlicher als winterkahle Baumarten. Dies steht offensichtlich in Zusammenhang mit der Segelwirkung der Krone. So zeigen die Ergebnisse der Lotharschäden in der Schweiz, dass Fichte und Tanne um 4 mal mehr von Schäden betroffen waren als Laubhölzer (Buwal, 2001) . Unter diesen scheint die Buche empfindlicher zu sein als Eiche, Ahorn und Esche.

Die Nadelbäume weisen eindeutig die stärkste Anfälligkeit gegenüber Sturmschäden auf, offensichtlich wegen der Anfälligkeit des Wurzelsystems gegenüber Fäulebefall. Dies gilt besonders auf Böden mit einer schlechten Durchlüftung. Damit sind also die Ausprägung sowie der aktuelle Gesundheitszustand des Hauptwurzelsystems (als Verankerungssystem) für die Sturmfestigkeit eines bestimmten Baumes mindestens so wichtig wie die mechanischen Eigenschaften des Stammholzes.

Ist die Verankerung von Bedeutung (bei Laubholzarten), sind die Unterschiede sowohl zwischen den Baumarten als auch den Bodenbeschaffenheiten zu betrachten. Als Faktoren spielen hier:

  • Typen der Wurzelsysteme (Flach, Pfahl, Herz) sowie die Vernetzung des Bodens durch die Feinwurzeln
  • Dimensionen der Wurzellballe (Breite und Tiefe)
  • Bodeneigenschaften, welche auf die Entwicklung der Bewurzelungstiefe wirken.

Von den drei Wurzelsystemen (siehe Abb. 4.11) ist das Herzwurzelsystem als am günstigsten zu betrachten, weil es sowohl die Tiefe wie die Breite bevorzugt. Das Flachwurzelsystem ist nicht so ungünstig wie üblicherweise angenommen, da es zu einer bezüglich seitlicher Verankerung günstigen Entwicklung der Hauptwurzeln führt. Die Bewurzelungstiefe ist von Senkerwurzeln gesteuert. Die Wurzelsysteme sind sehr stark von der Bodenbeschaffenheit, insbesondere vonder physiologischen Gründigkeit, überlagert, sodass auch Baumarten mit Pfahlwurzeltendenz ein flachgründiges System entwickeln können und umgekehrt. Die Art der Pflanzenbegründung bzw. der Bodenbearbeitung scheint keinen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des erwachsenen Wurzelsystems zu haben (Coutts, 1983) <ref>Coutts, M.P., 1983: Root architecture and tree stability. Plant and soil 71:171-188.</ref>.

In der Tat ist weniger die absolute Tiefe des Hauptwurzelsystems der entscheidende Faktor der Widerstandskraft gegenüber Stürmen, sondern eher die schräge Durchwurzelung des Bodens sowie die Dichte des Feinwurzelsystems. Letztere erlaubt nämlich, einen mehr oder weniger grossen Ballen an Bodenmasse zu fixieren. In Wirklichkeit ist der Halt bzw. die Standfestigkeit eines Baumes im Boden auch eher durch das Gewicht des Erdballens begründet als durch die Wirkung einer direkten Verankerung, welche dank einigen starken Seitenwurzeln in und gegen der Windrichtung erfolgt. Das Gewicht der Wurzelballe liegt ungefähr acht mal über demjenigen des Baumes.

Bouchon (1987) <ref>Bouchon, J., l987: Etat de la recherche relative aux dégâts forestiers dus aux tempêtes. Rev. forest. Fr. 39, 4: 301-312.</ref> gibt für Frankreich, zumindest für die Nadelbäume, die Sturmempfindlichkeit in folgender abnehmender Reihenfolge an: Fichte, Waldföhre, Tanne, Douglasie, Schwarzföhre, Lärche. Von den drei nach Biebelriether (1966) <ref name="Biebelriether">Bibelriether, B.. 1966: Die Bewurzelung einiger Baumarten in Abhängigkeit von Bodeneigenschaften. Allg. ForstZ. 21: 808-815.</ref> definierten Wurzelsystemen, nämlich dem Flach-, dem Pfahl- und dem Herzwurzelsystem (siehe Abb. 4.11), verschafft offensichtlich nicht das Pfahlwurzelsystem, sondern das Herzwurzelsystem (Douglasie, Lärche usw.) die beste Stabilität gegenüber Stürmen.

Abb4.11.png

Abb. 4.11: Die drei Wurzelsysteme der Bäume.<ref name="Biebelriether">Bibelriether, B.. 1966: Die Bewurzelung einiger Baumarten in Abhängigkeit von Bodeneigenschaften. Allg. ForstZ. 21: 808-815.</ref>

Die Sturmanfälligkeit der verschiedenen Baumarten zeigt Tab. 4.12.

Tab.4.12.png

'Tabelle 4.12: Sturmempfindlichkeit der verschiedenen Baumarten<ref>Bazzigher, G., Schmid, P., 1969: Sturmschäden und Fäule. Schweiz. Z. Forstwes. 120, 10: 521-534.</ref>

Die Geländeform kann einen Einfluss ausüben. Schon Hütte (1967)

wies auf eine besondere Schadenskonzentration in luvorientierten Hängen, Hügelscheiteln, Hügelrückseiten bzw. – seiten hin. Dies steht offensichtlich in Zusammenhang mit der Düsenwirkung und Bildung von Turbulenzen (siehe Abb. 4.13). Quine und Gardiner (1998)

haben für Schottland ein Gelände- Prognosemodell für die Bestimmung der speziellen Risikenprädisposition entwickelt.

Abb4.13.png

Abb. 4.13: Einfluss der Geländeform auf die Sturmschädenempfindlichkeit Nach Hütte (1967)

Strategien

Schnee und Sturmschäden haben unterschiedliche Bedeutung für die Nutzungskonzepte. Grundsätzlich ist primär das Problem nach dem Prinzip der Vorsorge über die Baumartenwahl zu regeln, allenfalls über Mischungen. Dies gilt besonders für prädisponierende Lagen.

Schnee stellt in der Phase der Auslese (Stangenholzphase) einen wichtigen Faktor dar. Weil in dieser Phase auch das intensivste Höhenwachstum stattfindet, ist sie auch die Phase mit der grössten Zunahme des Wettbewerbes und in der die Bäume die maximalen hohen Schlankheitsgrade (h:d Quotient) aufweisen und somit die grösste Prädisposition zu Schneedruckschäden darstellt. Weil die Durchforstung die Stammform positiv beeinflussen kann, stellt sie zumindest mittelfristig auch den wichtigsten Wirkungsfaktor zur Stabilisierung dar. Allerdings muss zwischen Stärke der Durchforstung und mittelfristiger Verbesserung der Einzelbaumeigenschaften ein Kompromiss gefunden werden, da unmittelbar nach einer Durchforstung das Risiko einer Destabilisierung zunimmt. Die Angst vor Fehlentscheidungen und deren Folgen führt oft zu einer Lähmung der forstlichen Handlungsbereitschaft. Diese Zurückhaltung bewirkt letztendlich, dass man in der Praxis mehr Bestände mit Stabilitätsproblemen findet als solche, die angemessen behandelt wurden. Als Folge davon müssen die Eingriffe immer wieder zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem die Bedingungen eigentlich nicht mehr günstig sind. Diese Fragen des Einflusses der Durchforstung auf die Stabilität werden im Abschnitt Erziehungsphase oder Kompressionsphase detailliert behandelt.

Um das Problem der mechanischen Stabilität genau verstehen zu können, muss man auch zwischen der individuellen Stabilität der Bäume und der kollektiven Stabilität der Bestockung unterscheiden. Bei der Betrachtung der individuellen Stabilität sind v.a. diejenigen Bäume wichtig, welche das Gerüst eines Bestandes bilden; wobei es sich meistens um die sozial herrschenden und vorherrschenden Individuen handelt. Die kollektive Stabilität hingegen beruht auf einem Effekt der Bestockung als Block. In diesem Fall stützen sich die Bäume gegenseitig und verhindern dadurch ein übermässiges Hin- und Herschwanken der Einzelglieder. Solange ein Bestand, auch wenn er hauptsächlich aus schwachen, schlanken und deshalb bruchgefährdeten Einzelgliedern besteht, noch völlig kompakt und dicht ist, besitzt er eine genügende hohe kollektive Stabilität. Damit ist auch ein solcher Bestand gegenüber wind- oder schneebedingten mechanischen Einwirkungen noch einigermassen widerstandsfähig. Die Wirkung einer hohen kollektiven Stabilität beruht auf der geringen seitlichen Bewegungsfreiheit der einzelnen Bäume. Die kollektive Stabilität ist somit von der Bestandesdichte und vom Bestandesschluss abhängig. In dichten Beständen verhindern die Baumkronen die Schwankungen der einzelnen Bäume und üben somit einen stabilisierenden Effekt aus. Beobachtungen des Schadenausmasses im Lehrwald der forstlichen Fakultät der Universität München von unterschiedlich dichten Beständen zeigt Abb. 4.14. Die Schneeschäden fallen aufgrund der kollektiven Stabilität geringer aus in sehr dichten Beständen, sowie auch in lichten Beständen, wo die Stabilität der Einzelbäume gut ist. Die Bestände mit einer mittleren Bestockungsdichte hingegen werden durch die Schneeschäden am meisten betroffen.

Abb4.14.png

Abb. 4.14: Schneedruckschäden und Bestockungsdichte. Rottmann (1985, Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen). Sauerländer's Frankfurt, 159 S.| ]]<ref>Rottmann, M, 1985: Schneebruchschäden in Nadelholzbeständen. Sauerländer's Frankfurt, 159 S.</ref>

Beim Sturm, der ältere Bestockungen betrifft, drehen sich die Fragen weniger um Verlust durc vorzeitiges Ausscheiden bzw. Ausfall von Wertträgern und damit von Wertschöpfungspotential als um Probleme der Labilisierung betroffener aufgelöster Bestände. Selbstverständlich spielt die Baumartenwahl wie im Fall der Schneegefahr eine übergeordnete Rolle.

Mittlere Stürme mit Einzelwürfen wirken wie vorzeitiges Ernten und sind somit vom konzeptionellen Standpunkt aus betrachtet nicht so gravierend. Bei Überschreitung einer gewissen Windgeschwindigkeit konzentrieren sich die Schäden, und damit entstehen erhebliche Gefahren von späteren Folgeschäden durch Bestandesauflösung bzw. Labilisierung. Tatsächlich nimmt das Risiko der Bildung von Turbulenzen zu, sobald mittlere Löcher in einer alten Bestockung geschaffen werden (siehe Abb. 4.15 nach Krecmer, 1967).

So betrachtet sind eher die (seltenen) starken Stürme für Nutzungskonzepte zu betrachten. Es lässt sich dann überlegen, in welcher Weise sie unausweichlich sind (Naturgewalt), bzw. ob es waldbauliche Mittel gibt, um ihre Wirkung zu reduzieren. Dies entspricht zwei grundlegend anderen Formen der Umgehungsstrategien nämlich:

Abb4.15.png

Abb. 4.15: Luftströmungen in einer Bestandeslücke. <ref>Krecmer, V., 1967: Das Mikroklima der Kieferlochkahlschläge. Wetter u. Leben 19: 203-214.</ref>

Die erste Strategie steht in Zusammenhang mit der Frage der Wiederkehrperiode von Stürmen Weil Stürme ein sehr stochastischen Charakter aufweisen, gibt es beim gleichen Ereignis lokal grosse Unterschiede im Windfeld. Die Windgeschwindigkeit und die Böigkeit können lokal sehr stark wechseln, mit Windgeschwindigkeitsunterschieden um das Doppelte. Entsprechend konzentrieren sich auch die zu beobachteten Schäden meistens längs Streifen. Ihr Verlauf und ihre Position ist völlig unvoraussehbar.

So ist grossräumig zwischen einem Sturmereignis und seinem lokalen Impakt zu unterscheiden. Eine Schätzung der Wiederkehrzeit eines Ereignisses wie Lothar nach der Extremstatistik ergibt eine Rekurrenzzeit von etwa 12 Jahren. Dies gilt für die Ebene des Landes oder einer Grossregion. Weil auch lokal grosse Unterschiede bestehen, ist die Schätzung der Wiederkehr von letalen Schäden (d.h. flächige Schäden) auf der Ebene des Bestandes völlig anders. Auch nach einem Extremsturm wie Lothar sind nur 2 bis 3 % der Wälder flach gelegt. Auf Bestandesebene betrachtet steht also das Risiko in einem Verhältnis von 33 bis 50 mal niedriger als auf Regionsebene. Der bestandesbezogene Wiederkehrwert eines Orkanes wie Lothar liegt entsprechend zw. rund 400 und 600 Jahren. Sogar für eine Region wie Schottland, welche besonders oft von Stürmen heimgesucht wird, zeigen Gardiner und Quine (2000) Flächenschäden von zwischen 2 und 8 % und errechnen eine lokale Wiederkehr in der Grössenordnung von 70 Jahren für besonders exponierte Partien und 150 Jahre für die anderen.

Fragen des Ausweichens durch Einflussnahme auf die Umtriebszeit, die ja waldbaulich auf Bestandesebene gilt, scheinen nicht von besonders relevanter Bedeutung sein, ausgenommen vielleicht für besonders prädisponierende Regionen oder Standorte. Auf Betriebsebene hingegen sind die Folgen von wiederkehrenden Stürmen mit relativ kurzer Rekurrenzperiode natürlich im Kauf zu nehmen. Im Sinne der Widerstandsstrategie lassen sich Überlegungen heranziehen, ob und inwieweit waldbauliche Mittel in der Lage sind, die Stabilität so zu fördern.


Bedeutung des Waldrandes

Man muss ebenfalls wissen, dass sich die am meisten sturmgefährdete Zone eines geschlossenen Bestandes nach Mitscherlich (1974) <ref name="Mitscherlich">Mitscherlich. G., 1974: Sturmgefahr und Sturmsicherung. Schweiz. Z. Forstwes. 125, 4: 199-216.</ref> in demjenigen Bereich befindet, welcher unmittelbar hinter jenem Waldrand liegt (siehe Abb. 4.16). Das ist somit jene Stelle, wo der Wind, der auf das dichte Hindernis des Waldrandes stösst, eine Stauung bildet und damit die Luftströme über die Bestockung hinwegleitet. Dadurch können im Bereich unmittelbar hinter dem Waldrand starke Turbulenzen entstehen, welche zu dementsprechenden Schäden führen können. Das ist der Grund, weshalb nach Stürmen sehr oft nur noch die Waldränder bzw. die Waldrandbäume stehen bleiben.

Abb4.16.png

Abb. 4.16: Wirkung des Windes auf den Waldrand. <ref name="Mitscherlich">Mitscherlich. G., 1974: Sturmgefahr und Sturmsicherung. Schweiz. Z. Forstwes. 125, 4: 199-216.</ref>

Als Konsequenz dieser Erkenntnis ist es also wichtig, durchlässige Waldränder, welche hauptsächlich aus Laubbäumen bestehen, zu schaffen. Solche Waldränder erlauben aufgrund ihres unbelaubten Zustandes besonders in der Jahreszeit der erhöhten Sturmrisiken einen besseren bzw. teilweisen Abfluss der Luftströmungen ins Innere des Bestandes. Noch besser ist die Vorlagerung von offenen Baumstrukturen, welche eine Wirbelbildung vor dem geschlossenen Wald schaffen und somit das Windfeld günstig beeinflussen. Stufige Waldränder, wie sie heute aus der Sicht des Naturschutzes verlangt werden, können die Schutzwirkung positiv beeinflussen, wenn sie nicht zu dicht gestaltet sind, da sie sonst zu einer Düsenwirkung führen, welche die Windgeschwindigkeit vergrössert und die Wirbelbildung hinausverschiebt.

Referenzen

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