4.1.2 Diversität

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Der Bezug zu diesem Prinzip geht aus mehreren Betrachtungen hervor. Dem Ziel, von der Baumartenzusammensetzung her vielfältige Bestockungen anzustreben, liegt ein generelles Prinzip der Risikenverteilung und der Adaptabilität zugrunde. Darüber hinaus ist heute der Begriff Diversität als ethische Aufgabe für die Erhaltung der Lebensgrundlage auf der Erde (Cot, 1992) <ref>Cot, J., 1992: Synthèse sur les pratiques en foresterie écologique. ENGREF, Nancy</ref> aufzufassen. Die Vielfalt ist zuerst der beste Motor der Adaptation und somit als Grundlage für die evolutiven Vorgänge anzusehen. Die Diversität ist heute ein bedeutsames Ziel in Zusammenhang mit der Erhaltung der Naturwerte. Dieser Begriff kann aber zwiespältig sein, je nachdem auf welcher Ebene man ihn bezieht. Es gibt zumindest zwischen der Vielfalt (der Gene, der Organismen und der Lebensräume) erhebliche Unterschiede.

Es ist nicht überraschend, dass "Biodiversität" sich zu einem ausgesprochenen Modebegriff entwickelt hat, unter dessen Bedeutung alle aktuellen Herausforderungen verstanden werden. Die Forstwirtschaft kann dabei einen wichtigen Beitrag liefern, da der Wald und insbesondere die inneren und äusseren Waldränder Rückzugsgebiete von zahlreichen Arten sind. Die Wahrung der Biodiversität ist mittlerweile von einem quantitativen zu einem qualitativen Problem geworden. Dies macht die Lösung umso schwieriger, da die Bezugsmassstäbe sowohl räumlich als auch zeitlich beträchtlich variieren.

Der Begriff der Biodiversität bedeutet nicht allein Schutz, sondern vor allem Erhaltung oder mehr noch Förderung zugunsten einer möglichst reichen Artenvielfalt. Ein solches Konzept erfordert äusserst anspruchsvolle Lösungen, weil wir uns auf der Ebene der Ökosysteme und ihrer einzelnen Bestandteile bewegen: zum einen die Biotope, zum anderen die Biozönosen, worin die oftmals sehr komplexen koevolutiven Prozesse eingeschlossen sind.

Mit diesem Konzept sind bestimmte Begriffe verbunden, die vor einer angemessenen Umsetzung klar definiert werden müssen. Dabei handelt es sich namentlich um die Referenzebenen und, da die Natur sowohl seltene als auch häufig vorkommende Arten beherbergt, um eventuell bestehende Hierarchien. Die Biodiversität fördern bedeutet mit Sicherheit nicht, für ein häufiges Vorkommen von Arten zu sorgen, die von Natur aus selten sind. Nach Meyer (1998) <ref>Meyer, D., R., 1998: Tierartenschutz in Wirtschaftswälder. Schweiz. Z. Forstwes.</ref> gelten für die Seltenheit der Lebewesenarten die drei unterschiedlichen Gründe:

  • Position am Rand der natürlichen Verbreitung
  • Natürliches Vorkommen in geringer Dichte, weil auf spezielle Lebensbedingungen angewiesen. Die betreffenden Arten sind an besondere Habitatsbedingungen (ökologische Nischen) gebunden
  • Im Rückgang begriffen wegen z.B. genetischen Drifts

Die dritte Form der Seltenheit bedarf besonderer Massnahmen. Bei der Gestaltung der Lebensräume ist jedenfalls sehr differenziert nach Arten, interagierenden Artengruppen (sog. Guilden) bzw. Zielen vorzugehen. Es gibt auch unterschiedliche Hierarchien bei den Arten. Abgesehen vom Risiko des Aussterbens bei seltenen bedrohten Arten, sind einige wichtiger als andere, weil sie eine Kernposition in den Lebensgemeinschaften (Key-stone-species) besetzen. Andere sind wichtig, weil sie mit vielen Arten interagieren (Umbrella-species). Angebracht ist jedenfalls, zu unterscheiden zwischen solchen Arten, die nicht an ein bestimmtes Biotop gebunden sind (Ubiquisten), und solchen, die auf das Vorhandensein ganz bestimmter Voraussetzungen angewiesen sind (Spezialisten).


Artenvielfalt durch Biotopvielfalt

Da klare Konzepte zur Erhaltung der Biodiversität noch ausstehen, kann die Forstwirtschaft, anstatt sich einzelnen Tier- oder Pflanzenarten zuzuwenden, der waldbaulichen Arbeit auf der Ebene forstlicher Ökosysteme den Vorzug geben. Die Vielfalt von Arten hängt stark von den Biotopen ab, in denen diese Arten auftreten.

Da genaue Kenntnisse über Prioritäten für den Schutz und für die Erhaltung von Arten oftmals fehlen, zumindest im Sinne von Integralwirkungen, sollte der Waldbau danach streben, eine möglichst grosse Vielfalt an forstlichen Biotopen zu schaffen bzw. zu erhalten. Ein entsprechender Waldbau wird sich primär also nicht nur auf eine einzige Behandlungsmethode beschränken, sondern das ganze Angebot an in Frage kommenden waldbaulichen Instrumenten sinnvoll benutzen und kombinieren. Bei einem solchen Vorgehen werden mit Absicht unterschiedliche Behandlungsweisen angewendet, was im Endergebnis zu einem Nebeneinander von Beständen führt, die licht und dicht geschlossen sind, gleich- und ungleichförmig, buntgemischt und rein, gross- und kleinflächige Texturen aufweisen und sowohl grossflächiger als auch punktueller oder sogar einer kontinuierlichen Verjüngung wie im Plenterwald entspringen. Das allgemeine Ziel sollte lauten, so vielfältige Waldstrukturen wie nur möglich zu verwirklichen. Die Bedeutung des Begriffs Artenvielfalt wird somit um die "Vielfalt der Prozesse" erweitert.


Requisiten für die Lebensräume

Daneben sind für die Erfüllung spezieller Erhaltungsziele gezielte und punktuelle Massnahmen erforderlich, z.B. für die Waldrandpflege oder für die Erhaltung der Biotope von seltenen Arten oder noch bestimmte generell zu fördernde Besonderheiten (oder sog. Requisiten) wie z.B. stehendes und liegendes Totholz. Es ist also dabei notwendig, über wichtige Eigenschaften der Lebensräume Bescheid zu wissen. Als wichtige Requisiten sind nach Scherzinger (1996) <ref>W., 1996: Naturschutz im Wald. Qualitätsziele einer dynamischen Waldentwicklung. Ulmer, Stuttgart, 447 S.</ref> z.B. zu erwähnen:

  • Totholzanteil
  • Innere Grenzlinien (Patchiness)
  • Flucht- und Durchgangszonen
  • Parade- und Reproduktionszonen
  • Lichtstellen am Boden (Lichtschächte)

Bedeutung der Bestandesstruktur

Zu dieser Kategorie von Fragen gehört die Diskussion der Bedeutung des Begriffes Struktur. Darüber bestehen teilweise unklare Vorstellungen. Es geht sowohl um Definition, was man unter Struktur versteht, wie auch darum, was ihre Bedeutung für Erhaltungsziele ist und schlussendlich die Art und Weise ihrer Förderung durch waldbauliches Handeln. Die letzte Frage ist waldbaulich von Bedeutung, weil die Strukturmerkmale sich bei weitem nicht immer natürlich ergeben. Sie stehen meistens in Zusammenhang mit menschlichen Eingriffen Bezüglich begrifflicher Klarstellung ist grundsätzlich nach Scherzinger (1996) <ref>Scherzinger W., 1996: Naturschutz im Wald. Qualitätsziele einer dynamischen Waldentwicklung. Ulmer, Stuttgart, 447 S.</ref> zwischen zwei weitestgehend unterschiedlichen Merkmalen der Struktur zu unterscheiden, nämlich:

  • horizontaler Strukturierung
  • vertikaler Strukturierung

In der forstlichen Fachsprache spricht man von Textur (horizontale Anordnung gleichförmiger Kollektive) und vertikale Einzelmischung nach dem Modell des Plenterwaldes. Es ist alsonotwendig, zwischen einer gewissen Ungleichförmigkeit im Kronenraum und einem Entwicklungsmodell zu unterscheiden, welches funktional ausgewogen ist und in dem alle Baumalter vertreten sind. Eine eindeutige Definition der Ungleichförmigkeit nach anderen als funktionalen Kriterien ist nicht sehr nützlich. Die vorangehenden Feststellungen veranschaulichen gut, dass eine strukturelle Ungleichförmigkeit keineswegs mit den Prinzipien der natürlichen Biomasseakkumulation konform ist, welche den Waldökosystemen zugrunde liegen. Im Gegenteil führt die Biomasseakkumulationdazu, dass Waldstrukturen zunehmend homogenisiert und das Kronendach geschlossen wird. Eine Tendenz zur Ungleichförmigkeit lässt sich in Urwäldern selten und nur während der fortgeschrittenen Altersphase infolge der beginnenden Walderneuerung erkennen. Da diese Erneuerung aber mehr Gemeinsamkeiten mit einer Verjüngung unter Schirm als mit der einzelbaumweisen Produktion der Plenterung hat, wird eine Plenterstruktur in Urwäldern nur selten angetroffen. Eine Plenterstruktur ergibt sich nur - und auch nur vorübergehend - in von Natur aus gemischten Waldgesellschaften (z.B. montaner Buchen-Tannenwald) oder in klimatischen Kampfzonen (z.B. subalpiner Fichtenwald, dessen Struktur sich grundlegend von der des montanen Fichtenwaldes unterscheidet; Korpel, 1982) <ref>Korpel, S., 1982: Degree of equilibrium and dynamical changes of the forest on example of atural forests of Slovakia. Acta. Fac. forest. Zvolen, 24: 9-31.</ref>. In Buchen-Urwäldern ist diePlenterstruktur praktisch inexistent (Peters, 1992; Reh, 1993) oder zumindest selten (Korpel, 1995) <ref>Korpel, S., 1995: Die Urwälder der Westkarpaten. G. Fischer, Stuttgart, 310 S.</ref>.

Waldbaulich einfacher zu realisieren ist die horizontale Strukturierung (auch als Mosaik bezeichnet oder Patchiness), weil sie mit einer kleinflächigen dezentralen Waldverjüngung gut zu realisieren ist. Sie erlaubt das Problem des Einbringens von Licht bis auf den Waldboden einigermassen effizient zu lösen (Schütz, 1998). Es wäre falsch, die beiden Systeme der Sylvigenese, den gleichförmigen Hochwald einerseits und den Plenterwald andererseits, auf manichäische Weise mit ethischen Begriffen von gut und schlecht zu vergleichen. Eine solche Haltung dogmatisierte allzu sehr die Analyse dieser beiden Systeme und würde die Gefahr des Festhaltens an ideologischen Positionen in sich bergen. In Wirklichkeit und gemessen an den Leistungen der betreffenden Lebensräume ist keines der beiden Systeme perfekt oder, etwas genauer ausgedrückt, beide verfügen über Vor- und Nachteile.

Auf der anderen Seite ist es bei der Festlegung waldbaulicher Ziele notwendig, die Aussichten zu ihrer Realisierung zu berücksichtigen und dies steht in Zusammenhang mit dem Grad der Beeinflussung der Bestockungen (sog. Hemerobie; siehe dazu: Jalas, 1955 <ref>Jalas, J.,1955: Hemerobe und hemechore Pflanzenarten; Ein terminologischer Versuch. Acta Soc. Fauna Flora Fenn. 72, 11: 1-15.</ref>; Sukopp, 1972 <ref>Sukopp, H., 1972: Wandel von Flora und Vegetation in Mitteleuropa unter den Einfluss des Menschen. Ber. ü. Landwirtsch. 50:112-139.</ref>; und Kowarik, 1988) <ref>Kowarik, I., 1988: Zum menschlichen Einfluss auf Flora und Vegetation. Theoetische Konzepte und ein Quantifizierungsansatz am Beispiel von Berlin (West). Landschaftsentwicklung Umweltforsch. 56: 1-280.</ref>. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter waldbaulicher Typ verwirklicht wird, hängt von der biologischen Automation des betreffenden Systems ab, d.h. davon, was die Natur ohne starke, korrigierende Eingriffe leistet. Dabei geht es nicht nur um Erfolgsaussichten, sondern auch um die Kosten der waldbaulichen Massnahmen. Wenn zur Erreichung eines bestimmten Zieles voraussichtlich häufige und starke Eingriffe erforderlich sein werden, können die dadurch entstehenden hohen Kosten verbieten, das Ziel weiter zu verfolgen.

Referenzen

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