4.1.1 Standortsgerechte Baumartenwahl in passenden Mischungen

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Bei der Wahl der Baumarten geht es um eine Eignung in doppelter Hinsicht, nämlich einerseits die Eignung für den Standort; andererseits geht es um die gegenseitige Verträglichkeit von gemischten Baumarten mit unterschiedlichen Wuchsgängen und -eigenschaften. Die Wahl von Baumarten, welche an den Standort angepasst sind (standortsgerechte und standortstaugliche Arten), stellt eine der wichtigsten (wenn nicht gar die wichtigste) aller waldbaulichen Entscheidungen dar (van Miegroet, 1984)<ref>Miegroet, M., v. 1984: Concepts of forest stability and forest management. Silva Gandavensis 50: 39-64.</ref>. Das Prinzip der geeigneten Baumartenwahl steht hierarchisch über demjenigen der Art der Verjüngung (natürlich oder künstlich).

Die Baumartenwahl beruht im wesentlichen auf einem ökologischen Prinzip, welches durch Odum (1969) <ref>Odum, E.P., 1969: The strategy of ecocystems development. Science 164: 262-270.</ref> treffend ausgedrückt wurde: „The core of each silvicultural decision, including the choice of species, must therefore be the awareness of the need to promote and help create an equilibrium between the forces of entropy and negentropy, between the development of ecosystem organisation and its rupture“. (Der Kern jeder waldbaulichen Entscheidung, inklusive der Baumartenwahl, muss deshalb vom Bewusstsein geprägt sein, dass es notwendig ist, ein Gleichgewicht zwischen den Kräften der Entropie und ihrem Gegensatz: der Negentropie und damit ein Gleichgewicht zwischen der Entwicklung und dem Zusammenbruch der Organisation eines Ökosystems entstehen zu lassen und zu fördern).

Nach den Prinzipien des Toleranzgesetzes von V.E. Schellford (1913) besitzen die Arten, die an die Standortsbedingungen angepasst sind, eine bessere Reaktionsfähigkeit gegenüber Störungsfaktoren. Damit weisen sie das auf, was man heute unter einer guten ökologischen Stabilität versteht. Unter diesem Begriff versteht man die Fähigkeit der Organismen eines Ökosystems, den Kräften der Destabilisierung zu widerstehen und Störungen aufzufangen (sog. Resilienzfähigkeit). Unter Störungen versteht man hier Stresssituationen sowohl endogener Art (Wettbewerbs- und Konkurrenzverhältnisse) wie auch exogener Ursache (klimatische und biotische Risiken). Eines der wichtigsten Ziele der waldbaulichen Behandlung besteht also darin, die Prozesse der Selbstregelung (Autoregulation, Naturautomation) zu erkennen und zu kontrollieren, den kollektiven Widerstand zu erhöhen und einen maximalen Ausgleich zwischen den stabilisierenden und destabilisierenden Kräften zu erreichen (van Miegroet, 1984) <ref>Miegroet, M., v. 1984: The choice of tree species as a strategical concept. Silva Gandavensis 50: 85-100.</ref>.

Die Baumartenwahl ist eine Entscheidung, die im wesentlichen an die Verjüngung gebunden ist. Das Prinzip der grundsätzlichen Förderung der Mischungen führt dazu, dass die Regelung der Mischungsverhältnisse über einen gewissen zeitlichen Anteil der Bestandesentwicklung zu berücksichtigen ist. Die Baumartenwahl muss deshalb von Beginn an als leitende und bestimmende Entscheidung über die gesamten Pflegeeingriffe gestellt werden. Im allgemeinen gibt es für einen gegebenen Standort mehrere geeignete (standortgerechte) Baumarten. Darüber hinaus kommt die Frage ihrer Mischung. Die Argumente für eine reiche Baumartenmischung gehen primär aus der Risikoverteilung hervor und erst in zweiter Linie aus ökologischen Gründen. Die Natur zeigt eher Homogenisierungstendenzen, weil im Naturwald weniger Baumarten dominieren und zur Gleichförmigkeit der Waldstrukturen führen, zumindest für temperierte europäische Standortsverhältnisse (Schütz und Oldemann, 1996, Schütz 1998) <ref>Schütz, J.-Ph., Oldeman, R.A.A., 1996: Gestion durable par automation biologique des forêts. Rev. For. Fr., 48, No spécial: 65-74.</ref>. <ref>Schütz, J.-Ph., 1998: Licht bis auf den Waldboden: Waldbauliche Möglichkeiten zur Optimierung des Lichteinfalls im Walde. Schweiz. Z. Forstwes. 149, 11: 843- 864.</ref> Ähnlich formuliert van Migroet, (1984)<ref>Miegroet, M., v. 1984: Reflections on the position of the forest and of forestry in Europe. Silva Gandavensis 5O: 101-111.</ref>: die Homogenisierung ist in der Natur nicht aussergewöhnlich. Wie zahlreiche Beobachtungen in westeuropäischen Urwäldern zeigen, ist die Gleichförmigkeit eine dominierende Charakteristik in vielen Stadien der Entwicklung von Naturwäldern (Korpel, 1995) <ref>Korpel, S., 1995: Die Urwälder der Westkarpaten. G. Fischer, Stuttgart, 310 S.</ref>.

Dem oben erwähnten Prinzip der reichen und feinen Mischungen steht die Tatsache gegenüber, dass sich Baumarten mit unterschiedlichem Wachstumsverhalten während ihrer Entwicklung gegenseitig stören können. Je nach gegenseitiger Soziabilität der Baumarten, ist es meistens also nicht angemessen, zu feine Mischungen anzustreben. Dies ist besonders der Fall, wenn die vereinigten Baumarten unterschiedlich wachsen, so dass die langsamer Wachsenden sich nicht mehr ordentlich entwickeln können. Das Prinzip der Risikoverteilung funktioniert nur, wenn die beigemischten Baumarten sich ordentlich entwickeln können.

Die Soziabilität der verschiedenen Baumarten hängt also von ihrem Wuchsverhalten, ihren ökologischen Ansprüchen und Toleranzen, besonders der Schattentoleranz, und auch ihrer Langlebigkeit und von weiteren Eigenschaften wie Expansionsfähigkeit des Feinwurzelsystems und der Krone ab. Je schlechter diese Soziabilität zwischen Baumarten ist, desto notwendiger wird es, Mischungen durch Gruppierung der einzelnen Arten zu Kollektiven mit einer grösseren Ausdehnung anzustreben.

Im Fall von künstlich angelegten Pflanzungen wird die angestrebte Endmischung schon bei der Bestandesbegründung geregelt. Im Fall von natürlich verjüngten Bestockungen hingegen stellt die Mischungsregulierung, im Zuge der Jungwuchs- und Dickungspflege, eine der wichtigsten Pflegemassnahmen dar.

Referenzen

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