3.1.8 Weitere Eigenschaften

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Beurteilung der Vitalität und des Gesundheitszustandes

Seit der Wahrnehmung von Symptomen der Schwächung des Gesundheitszustandes unserer Wälder, bekannt als Waldsterben, spielen die Kenntnis der Vitalitätskriterien und die Beurteilung der Vitalität und der Wuchskraft unserer Bäume eine immer wichtigere Rolle in der waldbaulichen Analyse. Man kann dabei aber nicht genug betonen, dass die Begriffe der Vitalität, im Sinne von Wuchskraft und Gesundheitszustand sehr schwierig genau zu definieren und noch schwieriger anhand von objektiven Kriterien zu messen sind. Genau gesagt handelt es sich um Eigenschaften, die das Ergebnis von komplexer Verbindung von endogenen und exogenen Einflüssen sind.

Die genaue Beschreibung des Unterschiedes zwischen einer normalen, d.h. dem Verlauf des Lebens entsprechenden Alterung und einer vorzeitigen bzw. abnormalen Alterung ist sehr schwierig. Die Alterung ist nicht alleine durch eine Serie von Symptomen charakterisiert. Sie beinhaltet nämlich auch eine dynamische Komponente; nämlich die Fähigkeit der Organismen zu reagieren und sich von Stresssituationen und Krankheiten wieder erholen zu können<ref name="Schütz">Schütz, J.-Ph., Grunder, K., Mandallaz, D., 1986: Die Vitalität von Weisstannen und ihre Abhängigkeit von bestandesstrukturellen, ertragskundlichen, ernährungskundlichen und waldbaulichen Variablen. Forstw. Cbl. 105: 406-420.</ref>.

Zusätzlich weiss man seit den fundamentalen Arbeiten von Schaffalitzky von Muckadell (1959) <ref>Schaffalitsky de Muckadell, M., 1959: Investigation on aging of apical meristems in woody plants and its importance in silviculture. Forstl. Forsögsv. Danm. 25: 310-455.</ref>, dass es zwischen den verschiedenen Individuen auffällige Vitalitätsunterschiede gibt, welche unabhängig von den erreichten räumlichen und zeitlichen Dimensionen der einzelnen Individuen sind. Es gibt offenbar stadial noch junge Individuen, die auch mit hohem physikalischem Alter einer guten Reaktionskraft fähig sind, weil sie noch eine genügend hohe Vitalität haben, vielmehr als andere, die um etliche Jahre jünger sind. Der Begriff Vitalität soll als Synonym für Lebenskraft und potentielle Entwicklungsfähigkeit verstanden werden. Es gibt Labormethoden, um sie annähernd und indirekt zu erfassen. Sie können z.B. die Messung der elektrischen Leitfähigkeit des zellulären Protoplasmas nachweisen <ref>Herzog, M., Rotach, P., 1988: Trockenresistenz und Imissionshärte der Weisstanne (Abies alba Mill.). Frühtestuntersuchungen mit vier Provenienzen. Inst. f. Wald- u. Holzforsch., Fachbereich Waldbau, ETH-Z, Zürich, 147 S.</ref>. Dies kann unter Verwendung eines relativ einfachen Apparates geschehen<ref>Buess Chr., 1987: Tannennadelprojekt. ETH-Bull. 204: 14-15.</ref>. Allerdings verbleiben solche Methoden naturgemäss begrenzt in der Anwendung. Bei fehlenden praktischen Methoden nützt man in der waldbaulichen Praxis indirekte begutachtliche Methoden, welche das Ergebnis der Vitalität einschätzen. Bei den wintergrünen Nadelbäumen kann man die Vitalität hauptsächlich durch eine Abschätzung der Anzahl noch benadelter Jahrestriebe im oberen Kronenbereich relativ gut schätzen. Vor allem für die Weisstanne:Weisstanne ist dieses Kriterium eng mit anderen Vitalitätskriterien verbunden und deshalb für sich alleine schon genügend aussagekräftig<ref name="Schütz">Schütz, J.-Ph., Grunder, K., Mandallaz, D., 1986: Die Vitalität von Weisstannen und ihre Abhängigkeit von bestandesstrukturellen, ertragskundlichen, ernährungskundlichen und waldbaulichen Variablen. Forstw. Cbl. 105: 406-420.</ref>. Seit den Arbeiten von Burger(1928, 1951) kennt man für unsere Hauptnadelbaumarten die Anzahl der normalerweise im erwachsenen Zustand benadelten Jahrestriebe (siehe Tabelle 3.16). Diese Anzahl variiert allerdings beträchtlich in Abhängigkeit der Standortsbedingungen.

Es gibt auch weitere Kriterien zur Abschätzung der Vitalität, namentlich die relative Länge der Endtriebe in der Lichtkrone und der Winkel der Baumkrone. Letzterer ist charakteristisch für die Entwicklungstendenz des Höhenwachstums, welches sich bei alternden Bäumen lange vor dem Dickenwachstum verringert. Es gibt auch Vitalitätsmerkmale, die mit anderen Erscheinungen der Alterung verbunden sind. Z.B. geht es um die Bildung von Klebästen (Tanne, Douglasie) oder neuen Proventivtrieben (sog. Reiterationstriebe). Weiterhin führt die Alterung zur Deformation des feinen Verzweigungssystem infolge hormoneller Inhibierung. Dies erlaubt, wie Gruber (1987) <ref name="Gruber">Gruber, F., 1987: Das Verzweigungssystem und der Nadelfall der Fichte als Grundlage zur Beurteilung von Waldschäden. Ber. Forsch-Zentrum Waldökosysteme- Waldsterben, Reihe A, Bd. 26, 214 p.</ref> bei der Fichte aufgezeigt hat, das Voranschreiten des Seneszenzphänomens in Funktion der verschiedenen Verzweigungstypen abzuschätzen (siehe dazu Abb. 3.17).

Tabelle 3.16.png

Tabelle 3.16: Anzahl der normalerweise benadelten Jahrestriebe bei unseren dauerhaft benadelten Nadelbäumen

Abb 3.17.png

Abb. 3.17: Veränderungen des Astverzweigungssystems infolge reduzierter Vitalität. Am Fallbeispiel der Fichte<ref name="Gruber">Gruber, F., 1987: Das Verzweigungssystem und der Nadelfall der Fichte als Grundlage zur Beurteilung von Waldschäden. Ber. Forsch-Zentrum Waldökosysteme-Waldsterben, Reihe A, Bd. 26, 214 p.</ref>

Bei den sommergrünen Laubbäumen ist die Alterung viel schwieriger zu beobachten und einzuschätzen. Seit den Arbeiten von Thiébaut (1981, 1984, 1985, 1986)<ref>Thiebaut, B., 1981: Formation des rameaux. In: Le hêtre. Dép. Rech. Forest. INRA, Teissier du Cros (Ed.), Paris, INRA, 613 p.</ref><ref>Thiébaut, B., 1984: Variabilité génétique écologique du hêtre commun (Fagus silvatica L.) dans les milieux montagnards et de haute altitude, en Europe. In: Ecologie des milieux montagnards et de haute altitude. Doc. d'écol. Pyrénéenne III-IV: 513-521.</ref><ref>Thiébaut, B., 1985: Architecture des jeunes hêtres (Fagus silvatica L.) Bull. soc. bot. N. France 38, 1/2: 7-25.</ref><ref>Thiébaut, B., 1986: Approche des hêtres (Fagus silvatica L.): Diversité intraspécifique, approche qualitative et quantitative. Naturalia monspeliensia. Colloque international sur l'Arbre 1986: 241-261.</ref>, Thiébaut et al. (1983,1984)<ref>Thiébaut, B., Puech, S., 1983: Développement du hêtre commun (Fagus silvatica L.). Morphologie et architecture de l'arbre. 1. Le développement des plants. Rev. forest. Fr. 35, 6: 443-451.</ref>[[Referenz::Thiébaut et al.;1984;Thiébaut, B., Puech, S., 1984: Développmment du hêtre commun (Fagus silvatica L.). Morphologie et architecture de l'arbre. développement des arbres. Rev. forest. Fr. 36, 1: 45-47.| ]<ref>Thiébaut, B., Puech, S., 1984: Développmment du hêtre commun (Fagus silvatica L.). Morphologie et architecture de l'arbre. développement des arbres. Rev. forest. Fr. 36, 1: 45-47.</ref>, Dupré et al. (1986)<ref>Dupré, S., Thiébaut, B., Teissier du Cros, E., 1986: Morphologie et architecture des jeunes hêtres (Fagus silvatica L.). Influence du milieu, variabilité génétique. Ann. Sci. forest. 43, 1: 85-102.</ref> sowie Roloff (1985)referenz||1985}} <ref name="Roloff">Roloff, A., 1985: Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus silvatica L. (Rothuche) unter besonderer Berücksichtigung möglicherweise neuartiger Veränderungen. Diss. G.A. Univ. Göttingen, 178 S.</ref>, besonders über die Buche, weiss man jedoch die Veränderungen der neuen Astverzweigung und damit der Kronenarchitektur zu erkennen. Die Inhibierung der Verzweigung führt zuerst zu einer Bildung von sogenannten Peitschentrieben, dann zu Ketten von Kurzkrallentrieben und schlussendlich zur vollständigen Degeneration der Verzweigung und damit der Krone (siehe Abb. 3.18). Alle diese Formen sind v.a. im winterlichen, d.h. laublosen Zustand relativ gut erkennbar.

Abb 3.18.png

Abb. 3.18 : Vitalitätsklassen bei der Buche aufgrund der Veränderung und Degenerierung des Feinverzweigungssystems. nach Roloff (1985)referenz|Roloff|1985}} <ref name="Roloff">Roloff, A., 1985: Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus silvatica L. (Rothuche) unter besonderer Berücksichtigung möglicherweise neuartiger Veränderungen.Diss. G.A. Univ. Göttingen, 178 S.</ref>

Referenzen

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