2.3.2 Prozesse zur Bildung der Schaftform

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Viele Baumarten bilden praktisch immer eine durchgehende dominante Schaftachse aus. Praktisch alle Koniferen und Laubbaumarten wie z.B Esche, Ahorn, Kirschbaum gehören zum Typ des monopodialen Schaftbaus (siehe Abb. 2.11). Die Wipfelschäftigkeit kommt von einer hohen apikalen Dominanz der Meristeme, welche eine starke Hierarchie zwischen Endknospe und Seitenknospe, bzw. End- und Seitentriebe bestimmt. Das führt zur sylleptischen Schaftarchitektur, d.h. eine klare hormonell gesteuerte Wuchshierarchie zwischen Gipfel- und Seitentrieben.

Andererseits gibt es viele Baumarten, die immer sympodisch verzweigen. In der Regel sind das tropische Baumarten. Dieser Typ entsteht, nachdem die Fruktifikationstriebe im Jahr nach der Fruktifikation absterben und führen dazu, dass unterliegende Knospen Ersatztriebe bilden. Je nach apikaler Dominanz entwickeln sich pro Achse zwei Ersatztriebe gleich stark und führen dann zu einer Kandelaberform (echter Sympod). Unechte Sympoden entstehen, wenn Gipfeltriebe nur ausnahms- und zufallsweise ausfallen, z.B. unter Frostbeschädigung oder Wildverbiss. Auch sympodisch veranlagte Gewächse können zu einer wipfelschäftigen Stammform (sog. akrotone Form) kommen, wenn einer der Seitentriebe sofort die Führung übernimmt und die anderen sich zurückbilden (siehe Abb. 2.13). Umgekehrt bleibt der Sympod (Zwiesel) viel länger, ja ständig bestehen, wenn die apikale Dominanz schwach ist.

Abb 2.11.png

Abb. 2.11: Die zwei Grundtypen der Stammmorphologie: Monopode und Sympode. <ref>Crabbé, J., 1987: Aspects particuliers de la morphogénèse caulinaire des végétaux ligneux et introduction à leur étude quantitative. Bruxelles: IRSIA, 116 p.</ref>

Einfluss des rhythmischen Wachstums oder Polyzyklismus

Nicht nur die Kombination von Verzweigungstyp und apikaler Dominanz erlauben die Formbildung voll zu erklären, sondern weitere Phänomene bzw. Einflussfaktoren wie z.B. die unterschiedlichen Triebarten. In Wirklichkeit können Baumarten zwei Arten von Trieben bilden, wie dies die grundlegenden Arbeiten von Thiébaut und Mitarbeitern über die Schaftmorphologie der Buche gezeigt haben <ref>Thiébaut, B., 1985: Architecture des jeunes hêtres (Fagus silvatica L.) Bull. soc. bot. N. France 38, 1/2: 7-25.</ref><ref>Thiébaut, B., 1986: Approche des hêtres (Fagus silvatica L.): Diversité intraspécifique, approche qualitative et quantitative. Naturalia monspeliensia. Colloque international sur l'Arbre 1986: 241-261.</ref><ref>Thiébaut, B., Cuguen, J., Dupré, S., 1985: Architecture des jeunes hêtres (Fagus silvatica). Can. J. Bot. 63: 2100-2110.</ref><ref name="Dupre">Dupré, S., Thiébaut, B., Teissier du Cros, E., 1986: Morphologie et architecture des jeunes hêtres (Fagus silvatica L.). Influence du milieu, variabilité génétique. Ann. Sci. forest. 43, 1: 85-102.</ref>. Es sind dies einerseits die Kurztriebe, welche dem Baum ermöglichen, den Raum zu erschliessen, weil sie im Wesentlichen die Blätter tragen, und andererseits die Langtriebe, welche die Expansion erlauben, d.h. sich auszubreiten und dabei insbesondere auch in die Höhe zu wachsen.

Die Beschattung begünstigt die Entwicklung der Kurztriebe in einem Verhältnis von 3:1 gegenüber Langtrieben. Hingegen bilden Buchen in vollem Lichtgenuss hauptsächlich Langtriebe in einem Verhältnis von etwa 4:1. Damit sich ein Baum gut entwickeln kann, muss er wachsen können, wozu er also eine gewisse Lichtmenge braucht. Die Voraussetzungen zur Bildung von Kurz- oder Langtrieben sind schon zur Zeit der Differenzierung der Blattanlagen bei der Knospenbildung festgelegt, indem unterschiedliche Blattanlagen angelegt werden <ref>Fontaine, F., Druelle, J.-M., Clément, Chr., Burrus, M., Andran, J.-Cl., 1998: Ontogeny of proventious epicormic buds in Quercus petraea; I. In the 5 years following initiation. Trees 13: 54-62.</ref>. So besitzen Knospen von Kurztrieben keine Seitenknospenanlagen, und die sich daraus ergebenden Triebe können nicht verzwieseln.

Zum klaren Verständnis der Entstehung der Schaftarchitekturtypen muss die Rhythmizität des Streckenwachstums (oder Polyzyklismus oder Prolepsis) mitbetrachtet werden. Das Phänomen der Wachstumsrhythmizität oder des Polyzyklismus ist bei der Sprossbildung die Fähigkeit, sukzessive neue Wachstumsschübe zu bilden durch Ansetzen nach einer kurzen intensiven Streckenwachstumsphase einer ausruhenden Endknospe, welche eine Wachstumspause verursacht. Nach Auflösung der Quieszenz dieser Knospe kommt es zu weiteren neuen Streckenwachstumsschüben (in sog. proleptische Triebe oder Johannistriebe). In Jungpflanzen auf guten Standorten kann es drei bis vier solche Schübe (oder Wachstumseinheiten) geben. Die Prolepsis darf als angeworbene Fähigkeit der Gehölzpflanzen zur Kontrolle des Wachstums in tropischen Regionen ohne Vegetationswechsel interpretiert werden. Sie ist sehr stark ausgeprägt bei den Eichen. Wie Burger (1921) gezeigt hat, ist sie bei der Stieleiche häufiger anzutreffen als bei der Traubeneiche. Als fakultativ kommt sie vor bei anderen Baumarten wie Buche, Esche, aber auch bei den meisten Koniferen (Fichte, Föhre, Douglasie). Fakultativ bedeutet das, dass nicht alle Individuen einer Population Prolepsis aufweisen, und auch nicht jedes Jahr, sondern nur, wenn Temperatur und Ernährung günstig sind. Hussendörfer et al (1996)<ref>Hussendörfer, E., Schütz, J.-Ph., Scholz, F., 1996: Genetische Untersuchungen zu phänotypischen Merkmalen an Buche (Fagus silvatica L.). Schweiz. Z. Forstwes. , 147:785-802.</ref> konnten bei jungen Buchen nachweisen, dass die Prolepsis mit genetischen Eigenschaften korreliert ist (grösserer Heterozygotanteil). Burger (1926)<ref>Burger, H., 1926: Untersuchungen über das Höhenwachstum verschiedener Holzarten. Mitt. schweiz. Centralanst. forstl. VersWes. 14, 1: 29-158.</ref> zeigte bei der Buche, dass etwa ein Drittel der Nachkommen in der Jugend Prolepsis aufwiesen. Daneben haben Baumarten wie Pappeln, welche keine Prolepsis aufweisen, ein kontinuierliches Streckenwachstum.

a) Grundmodell; verbindet Akrotonie, apikale Dominanz und rhythmisches Wachstum

b) Sympodisierung nach Verlust der apikalen Dominanz

c) Syllepsis; Verlust von rhythmischem Wachstum

d) Plagiotropie nach Verlust des mechanischen Widerstandes

e) Basitonie

Abb 2.12.png

Abb. 2.12: Der Erwerb der Schaftform als komplexes Phänomen verbindet Verzweigungsgrundmuster (Schaftverzweigungsarchetyp), rhythmisches Wachstum und apikale Dominanz. <ref name="Crabbe">Crabbé, J., 1987: Aspects particuliers de la morphogénèse caulinaire des végétaux ligneux et introduction à leur étude quantitative. Bruxelles: IRSIA, 116 p.</ref>

Das rhythmische Wachstum ist ein komplexes, im wesentlichen physiologisch geprägtes Phänomen. Dabei steht die apikale Dominanz der Endknospe im Vordergrund. Französische Physiologen verbinden diese Fähigkeit mit der Entwicklung der Schuppenanlagen in den Knospen<ref>Champagnat, P., Barnola, P., Lavarenne, S., 1986: Quelques modalités de la croissance rythmique endogène des tiges chez les végétaux ligneux. In: Colloque international sur l'arbre, Naturalia monspeliensia: 279-302.</ref><ref name="Barnola">Barnola, P., Alatou, D., Parmentier, C., Vallon, C., 1993: Approche du déterminisme du rythme de croissance endogène des jeunes chênes pédonculés par modulation de l'intensité lumineuse. Ann. Sci. For. 50: 257 - 272.</ref>, aber auch mit weiteren Faktoren wie Ernährung<ref name="Barnola">Barnola, P., Alatou, D., Parmentier, C., Vallon, C., 1993: Approche du déterminisme du rythme de croissance endogène des jeunes chênes pédonculés par modulation de l'intensité lumineuse. Ann. Sci. For. 50: 257 - 272.</ref> und Nährstoffaufnahme durch die Feinwurzeln <ref name="Barnola">Barnola, P., Alatou, D., Parmentier, C., Vallon, C., 1993: Approche du déterminisme du rythme de croissance endogène des jeunes chênes pédonculés par modulation de l'intensité lumineuse. Ann. Sci. For. 50: 257 - 272.</ref>. So erklärt sich ihr fakultatives Vorkommen. Exogene Faktoren haben aber einen unter Umständen erheblichen Einfluss. So ist es ausgewiesen, dass eine gute Belichtung das Vorkommen der Prolepsis fördert<ref name="Barnola">Barnola, P., Alatou, D., Parmentier, C., Vallon, C., 1993: Approche du déterminisme du rythme de croissance endogène des jeunes chênes pédonculés par modulation de l'intensité lumineuse. Ann. Sci. For. 50: 257 - 272.</ref><ref>Sagheb-Talebi, K., 1995: Study of some caracteristics of young beeches in the regeneration gaps of irregular shelterwood system (Femelschlag). In: Madsen, S.F. (Ed.) - Genetics and silviculture of beech. Forkskningsserien no 11: 105-116.</ref><ref>Sagheb-Talebi, K., 1996: Quantitative und qualitative Merkmale von Buchenjungwüchsen (Fagus sylvatica L) unter dem Einfluss des Lichtes und anderer Standortsfaktoren. Beih. Schweiz. Z. Forstwes. Nr. 78. Dr. Thesis ETH-Zürich 203 S + Anh. p.</ref>.

Die Bildung von unterschiedlichen Verzweigungstypen (oder Schaftarchitekturmodellen) als Ergebnis der Bildungsprozesse der Schaftachse können erst richtig verstanden werden, wenn über die Einflussgrössen Verzweigungstyp und apikale Dominanz noch zusätzlich die Wachstumsrhythmik betrachtet wird. Siehe dazu Abb. 2.12 nach Crabbé, 1987<ref name="Crabbe">Crabbé, J., 1987: Aspects particuliers de la morphogénèse caulinaire des végétaux ligneux et introduction à leur étude quantitative. Bruxelles: IRSIA, 116 p.</ref> .

Referenzen

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