2.2.3 Umsetzungstendenzen der sozialen Stellung

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Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der sozialen Hierarchie sind nicht nur die Positionen, sondern zeitliche Veränderungen von Interesse. Wir nennen diese Veränderungen der sozialen Stellung: Umsetzung. Die Umsetzungen fallen sowohl positiv wie negativ aus. Die sozialen Umsetzungen hängen vom Grad der gegenseitigen Bedrängung und von der Dauer des dadurch erzeugten Wettbewerbes ab. Weil die Bäume mit steigenden Platzbedürfnissen, die exponentiell zu ihrer Grösse wachsen, immer mehr Platz beanspruchen, ergibt die Summe aller sozial aufsteigenden und absteigenden Bäume mit zunehmender Entwicklung notwendigerweise ein negatives Ergebnis. Die sozial aufsteigenden Bäume sind zwar in der Minderzahl, sie haben aber waldbaulich eine grössere Bedeutung.

Bei der Analyse der sozialen Hierarchie bildet man gewöhnlicherweise zwei Gruppen: einerseits den sog. Oberstand (herrschende und mitherrschende) und andererseits den von beherrschten und unterdrückten gebildeten Unterstand. Dies ist darin begründet, weil die Elemente des Oberstandes ein gewisses Selbstentwicklungspotential aufweisen. Im oberen Bereich der Kronenschicht finden im wesentlichen die entscheidenden Vorgänge der sozialen Differenzierung statt. Die soziologische Dynamik eines Kollektives kommt hier am deutlichsten zum Ausdruck. Ein oftmals vorhandener Unterwuchs oder Nebenbestand fällt dabei ausser Betrachtung.

Eine hohe soziale Stellung verleiht einem Individuum innerhalb des Kollektives einen offensichtlichen Vorteil. Sie gibt ihnen den Positionsvorrang und daraus die grösseren Chancen, oben zu bleiben. Hier ist es wichtig zu wissen, ob in den ersten Entwicklungsstadien (Jungwuchs, Dickung) der Status des Herrschenden zufällig oder Ausdruck der besseren Veranlagung ist. <ref name="Delvaux">Delvaux, J., 1981: Différenciation sociale. Schweiz. Z. Forstwes. 132, 9: 733-749.</ref>, hat für Fichtenbestockungen, die aus Pflanzung entstanden sind, gezeigt, dass zufallsbedingte Faktoren die soziale Hierarchie beeinflussen (siehe Abb. 2.6). Hier kommen offensichtlich Kleinstandortsunterschiede oder bessere Anwuchserfolge als Erklärung in Frage. Immerhin dürften die genetisch bedingten Wuchsunterschiede für die soziale Position eine Rolle spielen. Untersuchungen der genetischen Strukturen zeigen, dass herrschende Bäume einer Bestockung deutlich mehr Heterozygoten aufweisen als der Durchschnitt<ref>Geburek, Th., Thurner, G., 1993: Verändert sich der Genpool von Waldbeständen durch forstwirtschaftliche Massnahmen? Cbl. Ges. Forstwes. 110, 2:49-62.</ref>. Der Schluss der besseren Wuchsveranlagung ist naheliegend, weil die Heterozygotie mit Fitnesseigenschaften zu verbinden ist. Dies scheint aber nicht für alle Baumarten gleich zu gelten. Hussendörfer, 2001<ref>Hussendörfer, E., 2001: Beiträge zum Thema: Nachhaltigkeit genetischer Variation durch naturnahe Waldwirtschaft; dargestellt am Beispiel der Weisstanne (Abies alba Mill.). Habilitationsschrift, ETHZ, Zürich, 135 S.</ref> konnte bei der Tanne zeigen, dass eine umgekehrte Tendenz besteht. Er vermutet, dass dies mit der Eigenschaft der Schattenbaumart zusammenhängt.

Die Bäume sind nach ihrer Anfangsgrösse angeordnet, welche einigermassen den Ausdruck der genetischen Veranlagung widergeben, da während der Nachzucht im Forstgarten die Umwelt- und Wachstumsbedingungen sehr homogen sind. Die nach der Pflanzung erfolgten Veränderungen im positiven sowie im negativen Sinne erstrecken sich praktisch auf der ganzen Bandbreite, was auf einen zufallsbedingten Einfluss deutet.

Abb 2.6.png

Abb 2.6: Veränderung der sozialen Positionen in einer Fichtenpflanzung zwischen 3 und 10 Jahren. (nach einem Versuch von Delvaux, 1981)<ref name="Delvaux">Delvaux, J., 1981: Différenciation sociale. Schweiz. Z. Forstwes. 132, 9: 733-749.</ref>.

Das Ausmass der Konkurrenz in der Bestockung dürfte soziale Positionsänderungen und sowohl positive wie negative Umsetzungen beeinflussen. In einem weiteren Versuch mit Fichtenpflanzungen konnte Delvaux (1981) <ref>Delvaux, J., 1981: Différenciation sociale. Schweiz. Z. Forstwes. 132, 9: 733-749.</ref> zeigen, dass die soziale Hierarchie anders läuft, wenn man den Wettbewerb kontrolliert oder wenn kein Wettbewerb herrscht. Ohne allzu starker Wettbewerb setzen sich ursprünglich Mitherrschende wesentlich positiver um. Das bedeutet, dass Mitherrschende durchaus eine Chance besitzen, gute Leistungen zu erzeugen, wenn sie nicht zufälligerweise durch Nachbarn in dieser Entwicklung verdrängt wurden (siehe Abb. 2.7). Dadurch wird die entscheidende Wirkung des Wettbewerbes auf die Regulierung der sozialen Hierarchie innerhalb einer Bestockung aufgezeigt.

Abb 2.7.png

Abb. 2.7: Soziale Entwicklung unterschiedlicher sozialen Klassen in Fichtenpflanzungen mit und ohne Wettbewerb zwischen 5 und 8 Jahren. Bestimmend für die soziale Stellung ist die erreichte Höhe (in Abzisse). Die zwei Kollektive D (Dominierende am Versuchsbeginn) und M (Mitherrschende) weisen vier Jahre nachher eine andere Höhenposition auf, wenn sie in hohen Wettbewerbsbedingungen wachsen (kleine Buchstaben) im Gegensatz zu Wuchs ohne Konkurrenz (grosse Buchstaben). Der bessere Teil der Mitherrschenden ohne Konkurrenz (M) erreicht grössere Höhen als einige ursprünlich Dominierende (D) wie auch Konkurrenzierte (d).

Wie lange, wie oft und in welchem Ausmass positive Umsetzungen stattfinden, ist für die Ausrichtung der Waldpflege durch Stammzahlentnahmen von Bedeutung (Erdünnerungen bzw. Durchforstungen). Dabei soll zwischen jungen Bestockungen (Dickungen bis Stangenholz) und erwachsenen, auch älteren Bestockungen unterschieden werden. Ferlin und Bobinac, (1999)<ref name ="Ferlin">Ferlin, F., Bobinac, M., 1999 : Natürliche Strukturentwicklung und Umsetzungsvorgänge in jüngeren ungepflegten Stieleichenbeständen. Allg. Forst. U. J.Ztg. 170, 8: 137-142.</ref> zeigen am Beispiel eines Eichenbestands im Alter von zwischen 33 und 54 Jahren (Abb. 2.8), dass die sozialen Klassen (hier dargestellt mit dem Durchmesser = Grösse der Ringe oder dem Durchmesserzuwachs = Dicke der Ringe) recht homogen auf der ganzen Fläche verteilt sind.

Abb 2.8.png

Abb. 2.8: Räumliche Verteilung und soziale Differenzierung der Bäume in einem gleichförmigen Eichen-Stangenholz zwischen 33 und 54 Jahren. Gilt für 54-jähriges Eichen- Stangenholz, Versuchsfläche Donji-Srem (Kroatien) Dargestellt sind nur die 25 % stärksten Bäume der Population nach Ferlin und Bobinac (1999) <ref name ="Ferlin">Ferlin, F., Bobinac, M., 1999 : Natürliche Strukturentwicklung und Umsetzungsvorgänge in jüngeren ungepflegten Stieleichenbeständen. Allg. Forst. U. J.Ztg. 170, 8: 137-142.</ref>

Umsetzungen in Jungbestockungen (bis Stangenholzstufe)

Viele Arbeiten bezeugen, dass positive Umsetzungen in der Dickungsstufe (bis ca. 10 m Höhe) und sogar in Stangenholzstufe (bis etwa 20 m Höhe) noch möglich sind, und zwar sowohl bei Licht- als auch bei Schattenbaumarten. So berichten Leibundgut (1976)<ref>Leibundgut, H., 1976: Grundlagen zur Jungwaldpflege. Ergebnisse zwanzigjähriger Untersuchungen über die Vorgänge der Ausscheidung, Umsetzung und Qualitätsentwicklung in jungen Eichenbeständen. Mitt. Eidg. Anst. forstl. VersWes. 52, 4: 313-371.</ref> für Eichendickungen, dass grosse Veränderungen der sozialen Stellung vorkommen. In diesen verhältnismässig dichten Dickungen, welche aus Naturverjüngung hervorgegangen sind, sind 20 bis 40 % der Bäume, welche am Ende der Dickungsstufe die obere Kronenschicht bilden, sozial von der mitherrschenden in die herrschende Klasse aufgestiegen. Sie haben sich damit, in einem Zeitraum von 6 bis 8 Jahren, sozial positiv umgesetzt. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Spellmann und Diest (1990)<ref>Spellmann, H., Diest, W.v., 1990: Entwicklung von Z-Baum-Kollektiven in langfristig beobachteten Eichen-Versuchsflächen. Forst u. Holz 45, 19: 573:580.</ref> für Jungeichenbestockungen in Norddeutschland. Bei Schattenbaumarten zeigen Thiébaut et al (1992) <ref>Thiébaut, B., Comps, B., Rucart, M., Soroste, S., Ntsame Okwo, C., 1992: Développement des plants de hêtre (Fagus silvatica L.) dans une régénération naturelle, équienne, âgée de 18 ans. Ann. Sci. For. 49: 111-131.</ref> bei Buchen aus Naturverjüngung, entstanden zwischen Alter 2 und 18, zahlreiche soziale positive Umsetzungen und zwar im Sinne von grösseren Auf- wie auch Abstiegen.

Bei Nadelbaumarten zeigen die Beobachtungen von Ganther (1983)<ref>Ganther, S., 1983: Untersuchung über die Wuchsdynamik, Nachbarschaft, soziologische Umsetzung und Qualitätsentwicklung in natürlich verjüngten Föhren- Jungwäldern in der Gemeinde Glattfelden. Schweiz. Z. Forstwes. 134, 11: 905-914.</ref> in Waldföhren-Dickungen mit sehr unterschiedlicher Dichte, zwischen 7000 und 70´000 Stämmen pro Hektare, dass bei einem Bestandesalter von 15 Jahren der Anteil der Bäume im, welche in einem Zeitraum von 9 Jahren ihre soziale Stellung verbessern, zwischen 30 und 54 % liegt. Der Anteil der sozial aufgestiegenen Bäume war manchmal sogar noch grösser als derjenige der abgestiegenen Bäume. Schon Wagenknecht (1940)Der für das Attribut „Jahr“ des Datentyps Seite angegebene Wert „Wagenknecht, E., 1940: Das Umsetzen in Kieferndickungen. Z. f. Forst- u. Jwes. 72, 9:</br>285-296.“ enthält ungültige Zeichen oder ist unvollständig. Er kann deshalb während einer Abfrage oder bei einer Annotation unerwartete Ergebnisse verursachen.<ref>Wagenknecht, E., 1940: Das Umsetzen in Kieferndickungen. Z. f. Forst- u. Jwes. 72, 9: 285-296.</ref> hatte analoge Ergebnisse erhalten und daraus folgernd geschätzt, dass in Föhrendickungen einzelne Bäume auch einen Wachstumsrückstand (gegenüber den herrschenden Bäumen) von bis zu 40 cm noch vollständig aufholen können.

In jüngeren Bestockungen, d.h. vom Jungwuchs bis schwache Stangenholzstufe sind soziale Umsetzungen möglich, insbesondere bei schattenertragenden Baumarten.

Umsetzungen in erwachsenen Bestockungen

Weil die Wuchskraft mit zunehmendem Alter abnimmt, haben die nichtherrschenden Bäume immer weniger Chancen, ihren Rückstand wettzumachen und somit sozial aufzusteigen. Man geht generell davon aus, wenn einmal die sozialen Positionen gebildet sind und sich gefestigt haben, so etwa ab Lebenshälfte, kaum mehr positive Umsetzungen stattfinden.

Referenzen

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